21.11.2020

Sozialer Sprengstoff?

 

Die exponierte Stigmatisierung der Alten ist ebenso unsinnig wie gefährlich. Der Hauptgrund für eine Zugehörigkeit zur Corona-Risikogruppe ist ein geschwächtes Immunsystem, das gegen neue Erreger nicht mehr zügig genug neue Antikörper produzieren kann. Die Alterung des Immun-systems setzt aber schon mit Ende der Pubertät ein. Man vergleiche dann mal die Leistungs-fähigkeit des Immunsystems von 40-jährigen Auto-Potatoes, wenn sie zusätzlich via Pommfritz und Cola aus Gewichtsgründen ihren Allerwertesten nicht mehr auf einen Fahrradsattel schwingen können, mit jener einer 80-jährigen agilen Person, die sich stets ernährungs- und bewegungsbewusst verhalten hat. Das Magazin Geo bestätigt die Korrelation mit Gesundheits-parametern: „Wer sich im Alter noch sehr fit fühlt und körperlich aktiv ist, hat oft im gesamten Körper noch eine gute Organfunktion – und das trifft dann meist auch auf das Immunsystem zu.“ Das Alter ist also nur einer von mehreren Gründen für schwere Covid 19-Verläufe. 

 

Die exponierte „Risikogruppe“ ist schon in der Bezeichnung als solche diskriminierend: Was in einer menschenrechtlich orientierten Gesellschaft zählt ist gerade die individuelle Ausstattung, die Einzelpersonen in ihrer Besonderheit unterscheidbar macht, anstatt sie in ominösen Menschengruppen verschwinden zu lassen – wie es in Kollektivsystemen üblich ist. Im Zuge von Corona geht man aber noch weiter: Die gesamte Gruppe verschwindet aus dem öffentlichen Bild, wenn es nach dem Willen der besorgten Politiker geht. Die Argumentation, Fernhalten diene nur dem eigenen Schutz, ist zwar nicht per se falsch, erinnert aber trotzdem an das umstrittene futuristische Schreckensszenario „2030 - Aufstand der Alten“ aus dem Jahr 2007. Sieht man mal von den dort eingewebten pubertären linken Klischees über die Reichen ab, dann kann es erhellend sein, sich diese dokumentarische Krimifiktion heute nochmals anzuschauen. 

 

Teil I findet sich hier, Teil II steht dort und Teil III an dieser Stelle. Es ging nicht nur darum, dass die Alten „wegen Verletzungsgefahr“ das Bett nicht mehr verlassen sollten. Dank Hightech sind Pflegebedürftige im Film „ähnlich wie Legebatterien in Hühnerställen“ rundumversorgt (Teil I ab Minute 24:17). Die zwischenmenschliche Stimmung ist in Teil II ab Minute 26:57 auf den Punkt gebracht: „Er glaubte, dass durch die vielen altenfeindlichen Gesetze und die einseitige Darstellung in den Medien die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber Senioren so gereizt war; wie die Alten als menschlicher Ballast einer Gesellschaft betrachtet werden.“ Sozialer Sprengstoff. Junge Leute glaubten irgendwann: „Die Alten sind der Grund für die ganzen Missstände.“ Die Folge: Senioren werden „einfach zum Spaß“ auf offener Straße angegriffen. Die öffentlich-rechtliche ARD schürt übrigens solcherart Stimmung und findet das satirisch: „Corona rafft die Alten dahin. Das ist nur gerecht.“ Kaum jemand empört sich darüber. Am Schluss heißt es in Teil III: „Es ist noch nicht geschehen. Aber so, oder so ähnlich könnte es bald kommen.“ Gemäß der psychosozialen Erfahrung wird es, auch wenn die Angelegenheit subtiler daher kommt, real dazu führen, dass schlichter aufgestellte Gemüter die exponierte Fürsorglichkeit zum Anlass nehmen, ein entsprechendes Feindbild zu produzieren. Aus anderer Perspektive formuliert: All die kurzsichtig respektive aktionistisch Besorgten zündeln.   

 

Jenseits der Corona-Debatte zeigt sich schon jetzt immer häufiger, dass die Sorge um das Wohlergehen der Senioren die Realität jedenfalls nicht in Gänze abbildet. Unlängst urteilte das Landgericht Lüneburg: „Die latente Suizidgefahr und das hohe Alter eines Wohnungsmieters rechtfertigt für sich genommen nicht, eine Zwangsvollstreckung vorläufig einzustellen und damit eine Zwangsräumung zu stoppen … Das Alter sei allein keine tragfähige Grundlage.“ Nicht das erste Urteil dieser Art. Bezogen auf die Jurisprudenz ist die Lage aber noch durchaus gemischt. Die Persönlichkeitsrechte etwa von Pflegeheimbewohnern stärkte jüngst ein Verwaltungsgericht, wie der BIVA-Pflegeschutzbund berichtet: „Die Richter hoben die Isolierung einer Pflegeheim-bewohnerin mangels Ermächtigungsgrundlage auf und stellten gleichzeitig erstmals den Inhalt einer Corona-Schutzverordnung infrage.“ Es gibt weitere Akteure, die sich engagieren. Die Riffreporter etwa: „‘Risikogruppen schützen‘ läuft auf eine Isolation alter und kranker Menschen hinaus. Man verwehrt all diesen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Betroffenen werden massiv in ihrer Selbstbestimmung eingeschränkt.“ Das führe zu einer Zweiklassen-Gesellschaft und „stellt die Grundwerte unserer Gesellschaft fundamental infrage“. 

 

Hinweis 1: Die Bundesregierung hat aktuell vor, ein Förderprogramm aufzulegen, um 20.000 zusätzliche Stellen für stationäre Pflegehilfskräfte zu generieren. Inwiefern das hilfreich ist, dem seit Jahrzehnten bekannten Pflegenotstand zu begegnen, kann hier nicht eingeschätzt werden.

 

Hinweis 2: "2030 - Aufstand der Alten" (Teil I) postuliert: Alte in "Legebatterien" hätten keine Würde mehr. Das ist eine falsche linke Erzählung. Nichts und niemand kann einem anderen Menschen die Würde nehmen. Man kann nur nicht der Würde entsprechend behandelt sein. 

 

Nachtrag vom 25.11.: "FDP-Antrag zu finanzieller Ausbeutung Älterer abgelehnt."

 

Nachtrag vom 30.11.: "Pflegenotstand - Politisch verursacht – politisch unlösbar..." Außerdem: "Ein Rentner (81) trifft auf zwei Teenager (15, 16). Jetzt ist der Senior tot."


25.7.2020

Auf dem Weg zum Termitenstaat mit Nachträgen

 

Aus dem Dritten Sektor heraus wird erneut dazu eingeladen, die „post-pandemische  Wirklich-keit“ – falls es die jemals geben wird – zu gestalten und über einen „neuen  Gesellschaftsvertrag“ in der „neuen Wirklichkeit“ zu diskutieren. Eingeladen zum Workshop Anfang August sind nicht nur junge Studierende aus Deutschland, Norwegen und Polen, sondern explizit auch „#gamechanger“. Wenn auch der Begriff schon länger in anderen Kontexten herumschwirrt, so mutet er im Zuge der folgenreichen Corona-Krise doch wenig ernsthaft an. Das Zusammenleben ist demnach ein Spiel und der Änderung der Spielregeln nimmt sich jetzt die akademische Sphäre aktionistisch an – freilich ohne die arbeitende Bevölkerung, die für so was gar keine Zeit hat, nach ihrem Einverständnis zu fragen. Im Einladungstext wird über die „Epidemie-Situation“ festgestellt: Eine Veränderung der Kräfteverhältnisse und des sozialen Verhaltens, der Relationen und Interaktionen. „Im Rahmen unseres Workshops wollen wir nachgehen, wo wir uns -  als Zivilisation (unterschiedlich definiert) - befinden und wohin wir gehen. Uns interessiert eine Reflexion und Projektion dessen, wie wir  in der Welt nach der Pandemie leben wollen und können. Man kann nicht übersehen: wir leben in einer unvorhersehbaren VUCA-Welt, in der sich die strategische Planung an ihrer Funktion in der sozialen Wirklichkeit verliert.“ Soziale Transformation für eine funktionsfähige Gesellschaft sei unbedingt nötig, der Wandel aber nur entweder durch Gestaltung oder durch Katastrophe möglich.

 

Interessant wird es durch den Einbezug der Proxemik. Den Begriff führte der Anthropologe Edward T. Hall (1914 – 2009) im Rahmen seines Raum-Distanz-Konzeptes ein, das interkulturelle Kommunikation untersucht und angemessenes soziales Handeln definiert. Weiteres fasst in diesem Fall Wikipedia ganz gut zusammen: Proxemik „beschreibt die kulturabhängig verschieden großen räumlichen Abstände, die Menschen zulassen bzw. gegen ‚Eindringlinge‘ auf verschiedene Weisen zu schützen versuchen. Die Räume, die von Individuen unbewusst unterschieden werden, werden Distanzzonen genannt. Man unterscheidet die intime, die persönliche, die soziale und die öffentliche Distanzzone. Diese können sich etwa mit steigender Vertrautheit zwischen Personen verändern. Je nach Kultur haben diese Zonen jeweils unterschiedliche Ausmaße. Bei Nordeuropäern etwa beginnt die intime oder private räumliche Zone eher bei weiterer Körperdistanz als bei Südeuropäern. Die Distanz zu unterschreiten kann ein ebenso schwerwiegender Fehler sein wie sie zu weit auszudehnen.“ Kurios, nebenbei, dass man plötzlich wieder auf kulturelle Unterschiede hinweisen darf, ohne dass ein Rassismus-Geschrei vom Zaun bricht. Vielleicht kommt’s ja noch.

 

Eine literarisch angereicherte Erklärung zur Proxemik findet sich auf dieser Website. In Henry D. Thoreaus „Walden“ etwa werden beim Lesen die sonst nur flüchtig empfundenen Geruchs- und Wärmezonen bewusst: „Wenn wir bloß schwatzhaft und laute Schwätzer sind, dann können wir es uns leisten, recht nahe beisammen zu stehen, Seite an Seite, und des anderen Atem spüren; wenn wir aber zurückhaltend und gedankenvoll sprechen, möchten wir weiter voneinander entfernt sein, damit alle animalische Wärme und Feuchtigkeit verdunsten können.“ An einer anderen Stelle heißt es beim Autor (1817 – 1862), der zwei Jahre lang asketisch im Wald lebte: „Ich will lieber einen Kürbis, den ich für mich allein habe, als gedrängt auf Samtkissen sitzen.“ Hall bewunderte auch Franz Kafkas Bewusstsein „von der kommunikativen Bedeutung der Architektur“, da er mehrfach „bedrückende kinästhetische Räume“ beschrieb, zum Beispiel im Stück „Der Prozess“: „[Er drängte] sich an K., und zwar so dicht, dass K. seinen Fauteuil zurückschieben musste, um sich bewegen zu können.“ Die Grenze unseres Körpers beginne und ende also nicht bei der Haut. „Wir sind vielmehr umgeben von ... „Raumblasen“.

 

Beim angekündigten Workshop soll die Frage erörtert werden, ob das Raum-Distanz-Konzept von Edward Hall in der „neuen Wirklichkeit“ noch aktuell ist: „Oder müssen wir unsere intime, persönliche, soziale und öffentliche Distanz neu definieren? … Wir suchen nach möglichen Wegen, die sozialen Räume, die wir alle unter den neuen Bedingen nutzen werden, neu zu organisieren.“ Tatsächlich ist das nicht erst seit Corona, sondern bereits seit der Migrationskrise im Gange – man erinnere sich an Henriette Rekers „unverschämten“ (FAZ) Vorschlag, mindestens „eine Armlänge Abstand“ zu Fremden zu halten. Die aktuellen Corona-Abstandsregeln ergänzen diesen Vorschlag rein zufälligerweise ganz gut. In einen größeren Kontext eingebettet erinnert die Durchorganisation zwischenmenschlicher Kontakte zunehmend an Aldous Huxleys „Wiedersehen mit der schönen neuen Welt“. Der „Alptraum totaler Organisation“ stünde unmittelbar vor unserer Tür, schrieb er schon 1957. Die genetische Normung sei zwar noch nicht möglich, verfeinert wurden aber Methoden zur „gewaltlosen Manipulation der Umwelt und der Gedanken und Gefühle“. Die postnatale Kontrolle setze für die Durchsetzung erwünschten Verhaltens nun weniger auf Bestrafung als vielmehr auf „die wirksameren Mittel des Belohnens und wissenschaftlichen Manipulierens“.

 

Gut möglich, dass Huxley die Corona-Krise als eine der „unpersönlichen Kräfte“ identifiziert hätte, „über welche wir fast keine Gewalt haben, uns dem Nachtmahr der ‚Schönen neuen Welt‘ entgegenzutreiben“. Wie sich künftig die Belohnung erwünschten Verhaltens konkretisieren könnte, zeigt sich am Beispiel Impfung. Erteilte zwar die Bundesregierung einer Zwangsimpfung eine klare Absage, arbeiten ihre bezuschussten Medien parallel etwa wie tag24: „Oha! So viele Leute wollen sich nicht gegen Corona impfen lassen - Je stärker die Verschwörungsmentalität ausgeprägt ist, desto größer ist der Widerstand gegen Schutzmaßnahmen wie die Warn-App oder Impfungen, wie das interdisziplinäre Forscherteam herausfand. Überdies war die Gruppe mit Tendenz zu Verschwörungstheorien auch weniger mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung zufrieden … Die gleichen Zusammenhänge ergäben sich auch mit Blick auf das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Printmedien.“ Die Belohnung als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu gelten wird demnach erhalten, wer Politik und Medien mit ihren intellektuell unseriösen Pauschalisierungen und Stigmatisierungen kritiklos freie Bahn lässt. Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch eintreten, dass Sauna- und Dampfbäder oder andere öffentliche Gemeinschaftseinrichtungen nur betreten darf, wer einen Immunitätsnachweis vorlegt. Mit dem Masernschutzgesetz hat man entsprechende Vorarbeit geleistet; man vergleiche dazu den Beitrag „Massiv ausgeweitete Impfnachweise“ vom 18.11.2019 auf dieser Seite.

 

Was den Widerstand der Bevölkerung gegen die Entwicklung hin zu einem „Termitenstaat“ betrifft zeigt sich Huxley unter Bezug auf Erich Fromm pessimistisch; nicht nur angesichts des mit Rundfunk und Fernsehen aufgewachsenen Publikums, das es nicht gern hat, „wenn man von ihm verlangt, sich zu konzentrieren oder eine längere geistige Anstrengung zu machen“, sondern auch, weil die meisten der vollkommen angepassten Menschen „normal nur in Beziehung auf eine zutiefst anormale Gesellschaft“ sind und noch immer „die Illusion der Individualität“ hegen. „Tatsächlich aber sind sie in hohem Grad entindividualisiert worden. Ihre Konformität entwickelt sich zu einer gewissen Uniformität. Aber ‚Uniformität und Freiheit sind unvereinbar‘.“ Jedes Einzelwesen sei verschieden gestaltet: „Körperlich und geistig ist jeder von uns einzigartig. Jede Kultur, die … den Einzelmenschen zu normen sucht, begeht einen Frevel an der biologischen Natur des Menschen“, rekurriert der Autor auch auf die Menschenrechtsidee der individuellen Entfaltung. Die habe ausgedient, wenn die neue „Sozialethik“ Fuß greift, in der es vorrangig um Einordnung, Anpassung, sozialgerichtetes Verhalten oder Gruppenloyalität geht; bei der also die „Rechte des Kollektivs den Vorrang haben vor dem, was das 18. Jahrhundert die Menschenrechte nannte“. Der „ideale Mensch“ von heute pflege „dynamische Konformität“, „intensive Treue zur Gruppe, ein unermüdliches Verlangen, sich unterzuordnen, dazuzugehören.“ 

 

Das betrifft im Übrigen auch alternative Medien im Netz aus dem rechtskonservativen Kreis. Deren Widerstand ist nur ein scheinbarer. Wo nämlich aus ursprünglichen Aufklärungs-plattformen reine Foren zur Befriedigung der ideologisch festgefahrenen, aber zahlungsbereiten Leserschaft werden, arbeitet man dem dargestellten Menschenbild geradezu in die Hände. Es ist wie gehabt: Der freiheitlich orientierte Mensch, der notfalls auch alleine gut klar kommt, war von jeher Hasssubjekt jeglicher kollektiver Bestrebungen mit ihrem „beseelenden Fanatismus“. Huxley hält es für dringend geboten die Frage zu beantworten, wie man angesichts der „sich beschleunigenden Überorganisierung“ und der propagandistischen Massenkommunikation „die Integrität des menschlichen Individuums bewahren und seinen Wert immer wieder geltend machen“ kann. Er plädiert für einen „Kurs in der Mitte, zwischen den Extremen des Laissez-faire einerseits und totaler Reglementierung andererseits“. Seine Befürchtung aber ist: „Es scheint keinen stichhaltigen Grund zu geben, dass eine durch und durch wissenschaftliche Diktatur je gestürzt werden sollte … Vielleicht sind die Mächte, die heute die Freiheit bedrohen, zu stark, als dass ihnen sehr lange Widerstand geleistet werden könnte. Es ist dennoch unsere Pflicht, alles, was in unseren Kräften steht, zu tun, um ihnen Widerstand zu leisten.“  

 

Das passende Lied zum Text findet sich übrigens dort.

 

Nachtrag zum erwähnten tag24-Artikel: Kritischer zum Thema die DWN: "Wissenschaftler, deren Aufgabe es eigentlich ist, neutral Phänomene zu bewerten, sprechen im Zusammenhang mit der weitverbreiteten Skepsis gegenüber rasch entwickelten Corona-Impfstoffen nun von 'Verschwörungsmentalitäten' bei der Hälfte der Bundesbürger" - ganz im Sinne der Entscheider. Die "Verschwörungstheorie" nimmt als nächste Holzhammer-Parole ihren Marsch auch durch die Institutionen auf, wie diese Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt.  

 

Nachtrag vom 29.7.: Bundesregierung: "Die Genomforschung könnte wichtige Erkenntnisse liefern, warum eine Covid-19-Infektion zu so unterschiedlichen Krankheitsverläufen führen kann." Die Bundesregierung trat " im Januar dieses Jahres der '1 + Million Genomes'-Initiative der EU" bei. "21 Unterzeichnerstaaten haben sich zum Ziel gesetzt, die Genome von mindestens einer Million Menschen in der EU zu analysieren und die Ergebnisse der Gesundheitsforschung zugänglich zu machen. Die Bundesregierung bezeichnet in ihrer Antwort 'die Unterstützung der individualisierten Medizin, der ganzheitlichen Diagnostik, der Entwicklung passender Therapien, der Erforschung von Krankheitsursachen und der Arbeiten an einem europäischen Gesundheitsdatenraum' als die ausschlaggebenden Gründe, um der Initiative beizutreten. Durch die große Datenmenge steige die Spezifität und Belastbarkeit der wissenschaftlichen Erkennt-nisse." Quelle: HiB Und zur Medizininformatik: "Verknüpfung von Biologie, Informatik, Data Sciences und Medizin bietet ein großes Potential für das Verständnis komplexer Zusammenhänge in Zellen, Organen und Organismen ... Die hier gewonnenen Erkenntnisse könnten eine wichtige Grundlage für Innovationen in der Biotechnologie und Medizin bilden." Quelle: HiB 

 

Nachtrag vom 14.8.: Für soziale Filterblasen als Distanzierungsstrategie werben bereits hiesige Fachleute. Das Ärzteblatt schrieb Anfang August zum Umgang in den Schulen: "Darüber hinaus sprechen sich die Wissenschaftler der Leopoldina dafür aus, 'überall, wo dies umsetzbar ist', kleine feste Kontaktgruppen einzurichten." Mitglieder der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina sind zum Beispiel Jutta Allmendinger und Lothar Heinz Wieler


28.11.2020

Der digitalisierte Bürger

 

Die Schritte hin zum gläsernen, durchnummerierten Bürger werden zusehends eiliger. Kontrollfetischisten kommt Corona gerade zupass, denn einige der Maßnahmen werden mit der Eindämmung dieses Virus begründet. Zum Beispiel das „digitale Gesundheitspass-System namens Commonpass“, das einige Fluggesellschaften ab Dezember einführen. 

 

„Dieser soll bestätigen, dass Passagiere nicht positiv auf Covid-19 getestet wurden … Entwickelt wurde die Lösung von der Foundation The Commons Project mit Sitz in Genf mit Unterstützung vom Weltwirtschaftsforum.“ Zum Commontrust-Netzwerk gehören Labore und Gesundheits-dienstleister. Ein QR-Code zeigt die Laborergebnisse an. Versprochen wird: „Die Gesundheits-informationen sollen dabei unter der Kontrolle der Anwender bleiben. 25 Staaten haben sich bisher verpflichtet, das System auf ihren Flughäfen einzusetzen.“ Das Netzwerk forderte Regierungen auf, digitale Gesundheitspässe zu verabschieden. „Diese könnten harmonisierte Standards für die Validierung und Verifizierung der Gesundheitsdaten von Passagieren liefern … Auf zwei deutschen Flughäfen können Vielflieger von Swiss und Lufthansa seit November ein vollständig kontaktloses Boarding-Verfahren auf der Grundlage der Gesichtserkennung durchführen.“ Und ja: Das biometrische Verfahren „soll auch beim Tragen einer Maske funktionieren“. Das System könnte man wohl auf andere Lebensbereiche ausdehnen.

 

Zu den weiteren Röntgen-Maßnahmen gehören unter anderen die elektronische Patientenakte, die Corona-App, die Verordnung zur Neufassung der Datentransparenzverordnung und das Registermodernisierungsgesetz, mit dem die Verwaltung „ein registerübergreifendes Identitäts-management“ betreiben soll. Es mag schon sein, dass dies in Verwaltungsverfahren nützlich, weil vereinfachend ist. Die geplante Umsetzung lässt dann aber doch aufhorchen: „Es wird eine Identifikationsnummer in die ... Verwaltungsregister von Bund und Länder eingeführt, mit welcher gewährleistet wird, dass Basisdaten natürlicher Personen von einer dafür verantwort-lichen Stelle auf Inkonsistenzen geprüft, verlässlich gepflegt, aktualisiert und bereitgestellt werden. Hierzu soll auf die vorhandenen Strukturen der … Steuer-Identifikationsnummer aufgesetzt und diese um die für ein registerübergreifendes Identitätsmanagement notwendigen Elemente ergänzt werden … Die zur Identifikation erforderlichen personenbezogenen Daten in diesen Registern werden öffentlichen Stellen, die diese zur Erbringung von Verwaltungsleistungen nach dem Onlinezugangsgesetz benötigen, aktuell und in hoher Qualität bereitgestellt. Zusätzlich werden  Qualitätssicherungsprozesse eingerichtet, die die Aktualität, Konsistenz und Validität der personenidentifizierenden Basisdaten sicherstellen.“ 

 

Die FDP brachte zur Sache den scharf formulierten Antrag „Verfassungskonforme Register-modernisierung – Ohne steuerliche Identifikationsnummer“ ein. Denn: „Die Verwendung der Steuer-ID als einheitliches Personenkennzeichen bzw. zentraler Identifier stößt auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken … Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem ‚Volkszählungsurteil‘ aus dem Jahr 1983 klar festgelegt, dass eine umfassende Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit durch die Zusammenführung einzelner Lebens- und Personaldaten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen der Bürger‘ verfassungswidrig wäre (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983...). Als Beispiel für eine solche unzulässige Erstellung von Persönlichkeitsprofilen nennt das Bundesverfassungsgericht explizit die Einführung eines einheitlichen Personenkennzeichens. Ein solches hält das Gericht für unvereinbar mit der Menschenwürde.“ Außerdem: „Die Datenschutzkonferenz warnte in ihrer Entschließung vom 26. Juni 2020 davor, dass sich die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Pläne mit der Steuer-ID als einheitlichem Personenkennzeichen in einen offenen Widerspruch zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung begeben würde“ (!) – der Regierung ist es aber wichtiger, es möglichst unkompliziert zu haben. Der Antrag ist in Gänze äußerst lesenswert.

 

Die finanztechnische Durchleuchtung des Bürgers steht unter dem Titel „Schufa will Konten der Deutschen durchstöbern“: Nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung verfolgt die Auskunftei größere Pläne. „Wie aus internen Dokumenten hervorgeht, verfolgt die Schufa mit diesem Dienst offenbar das Ziel, einen detailgetreuen Einblick in Millionen Kontoauszüge zu bekommen. Dieses Wissen könnte möglicherweise in eine Art Superscore fließen.“ Daten-schützer seien entsetzt. Und merkwürdig, dass sie damit durchkommt: „Was die Schufa zwölf Monate lang mit diesen Daten machen will, wollte sie auf Anfrage nicht sagen … Welchen Vorteil Kunden von einer solchen Datenspende haben, die nichts mit der Dienstleistung zu tun hat, erklärte die Schufa nicht.“ Im Nachgang heißt es: „Verbraucherschützer denken jetzt über rechtliche Schritte nach“ - und der Telefonanbieter O2 kündigte bereits eine erste Testphase auf.

 

Die EU will sich übrigens im Zuge des Datenkriegs mit den bösen US-Online-Konzernen als Freund und Helfer darstellen: „Künftig sollen die europäischen Datenströme nicht vor allem über ... Amazon, Google oder Facebook fließen, sondern über unabhängige Organisationen, die ihren Sitz in der EU haben.“ Ziel: „der globale Datenkontinent Nummer eins“ zu werden. Bei diesem „Data-Governance-Act“ sollen „die Organisationen dann quasi als Treuhänder auftreten, um Datenströme zu vermitteln“. Die „wertvollen Daten“ könne man auch für gemeinnützige Zwecke nutzen, etwa für das Gesundheitssystem. „Auch Forschung und Wissenschaft sollen ... davon profitieren, wenn Datenströme künftig von unabhängigen Organisationen transportiert und gesammelt werden.“ Wie „unabhängig“ diese Organisationen wieder sein werden, erschließt sich im weiteren Text: „EU-Kommissarin Vestager wies darauf hin, dass mit der vorgesehenen Regelung in Zukunft auch ein schärferes Vorgehen gegen Hetze und Falschnachrichten möglich werde.“ Der schlechteste Witz in der Meldung ist aber der mit der angestrebten Unabhängigkeit der EU von US-Unternehmen: „Die EU hatte in der Vergangenheit beispielsweise Google vorgeworfen, die eigene Suchmaschine zu benutzen, um bestimmte Angebote bei den Suchergebnissen weiter vorne zu platzieren.“ Wie war das noch gleich mit der Kooperation von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit dem Internetkonzern: „Google zeigt offizielle Gesundheitsinfos ab sofort prominent an“ – Meldung vom 10. November. Die belgische Uni Namur weiß derweil: „Wer die Daten kontrolliere, der kontrolliere die neue Weltwirtschaft.“ Zu ihrem Plan will die EU-Kommission schon am 9. Dezember einen Gesetzesvorschlag vorlegen.

 

Bürgernähe kommt beim Thema einzig aus dem außerparlamentarischen Umfeld. Die Plattform für Sicherheits-Informationen, SecuPedia, informiert etwa über die vor wenigen Tagen gestartete europaweite Kampagne „Reclaim Your Face“ – gegen den Einsatz von Gesichtserkennung und anderen biometrischen Überwachungstechnologien im öffentlichen Raum. Zu biometrischen Daten gehört beispielsweise die Speicherpflicht für Fingerabdrücke in Personalausweisen, die der Bundestag Anfang November beschloss (kommt im August). Auch der Chaos Computer Club unterstützt die Kampagne. „Das Bündnis setze sich ein ‚für informationelle Selbstbestimmung und für das Recht, am öffentlichen Leben teilzunehmen – ohne ständig als potenzielle Verdächtige oder Versuchskaninchen behandelt zu werden, ohne permanent beobachtet und analysiert zu werden‘.“ Interessierte können eine Petition an die EU hier mitzeichnen.

 

Nachtrag: "China fordert die Einführung eines globalen QR-Code-Systems, um die grenzüberschreitende Bewegung von Menschen inmitten der Coronavirus-Pandemie zu ermöglichen. Wer mit dem Code nachweisen kann, dass er Gesund ist, dürfe reisen. In zahlreichen Orten Chinas können die Bürger die Gemeinden, Supermärkte und andere Geschäftsstätten nur mit einem Gesundheits-QR-Code betreten oder verlassen."

 

Nachtrag vom 30.11.: "Bundespolizei und Zoll sollen auf Passwörter zugreifen dürfen."

 

Nachtrag vom 2.12.: Gesetzentwurf zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts: "Angesichts gewandelter Kommunikationsgewohnheiten sieht die Vorlage zudem für die Nachrichtendienste 'ergänzende Aufklärungsbefugnisse durch die Regelung zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung auch von Messengerdiensten' vor."

 

Nachtrag vom 9.12.: Grünen-Antrag: "E-Government entschlossen vorantreiben – Registermodernisierung - verfassungskonform umsetzen."

 

Nachtrag vom 11.12.: "EU-Kommission will Zugriff auf verschlüsselte Daten."

 

Nachtrag vom 12.12.: Bundesverfassungsgericht: "Erweiterte Datennutzung ('Data-mining') nach dem Antiterrordateigesetz teilweise verfassungswidrig."

 

Nachtrag vom 28.1.2021: "Die Steueridentifikationsnummer soll zu einer umfassenden Bürger-nummer werden, die den Behörden den Zugriff auf schon vorhandene Personendaten bei einer anderen Behörde ermöglicht. Trotz Bedenken von Datenschützern und Opposition verabschiedete der Bundestag am Donnerstagabend ein entsprechendes Gesetz. Wenn der Bundesrat der Neuregelung ebenfalls zustimmt, wird künftig an rund 50 Stellen zusätzlich die Steuer-ID der Betroffenen gespeichert - etwa im Melderegister, im Führerscheinregister und im Waffenregister sowie bei der Rentenversicherung und den Krankenkassen ... Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warnte, wenn das Verfahren in einigen Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern sollte, 'dann haben wir ein Kosten- und Zeitproblem biblischen Ausmaßes'." 

Siehe dazu: "Schon wieder verfassungswidrig?" Wie die GroKo den Datenschutz aushebelt.

 

Nachtrag vom 30.1.2021: "Bundestag: Steuer-ID als Bürgernummer beschlossen ... Der Entwurf wurde mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf den Weg gebracht, die Oppositionsparteien im Bundestag lehnten die Nutzung der Steuer-ID zur generellen Identifikation hingegen geschlossen ab. Mit dem Entschluss werden zukünftig 51 von rund 200 Behördenregistern die Bürgernummer nutzen. Die Kosten für die Umstellung auf das neue Gesetz sollen sich laut Schätzungen auf rund 300 Millionen Euro belaufen, weitere 108 Millionen Euro sind als Umzugskosten in den ersten vier Jahren veranschlagt."

 

Nachtrag vom 4.2.2021: Siehe auch die Stellungnahme zur Steuer-ID von Police-IT.

 

Nachtrag vom 18.2.2021: Europäische Bürgerinitiative (EBI) mit mehr als 40 Organisationen fordert ein Verbot biometrischer Massenüberwachung.

 

Nachtrag vom 5.3.2021: "Beschluss des Bundesrats - Aus Steuer-ID wird Bürgernummer."

 

Nachtrag vom 26.4.2021: "Gesetz verkündet: Bürgeridentifikationsnummer kommt - Mit der Verkündung des Registermodernisierungsgesetzes kann der Aufbau der digitalen Architektur beginnen, die das E-Government hierzulande voranbringen soll ... bestünden 'schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken'. Ein solches Personenkennzeichen und die damit verbundene Möglichkeit, Daten aus den verschiedensten Lebens- und Verwaltungsbereichen zusammenzuführen, schaffe 'die Grundlage für eine umfassende Registrierung, Profilbildung und Katalogisierung der Persönlichkeit von Bürgern durch den Staat'."


16.6.2020

Störfaktor Immanuel Kant

 

So, in dem radikal-fanatischen Klima, das nicht zuletzt durch die aktuellen Demos entstand, kommen sie jetzt aus den Ecken und dürfen zum Beispiel bei „Deutschlandfunk Kultur“ ihren Säuberungsfantasien freien Lauf lassen: Unter der Überschrift „Antirassistischer Denkmalsturm – Auch der Philosoph Immanuel Kant steht zur Debatte“ (Anm.: dafür sorgt ja der Sender) unter-stellt der Historiker Michael Zeuske dem tiefsinnigen „Weltweisen aus Königsberg“: „Er habe in seinen anthropologischen Schriften den europäischen Rassismus mitbegründet.“ Auf die Frage der Moderatorin, ob denn die „Black Lives matter“-Bewegung auch dazu beitragen könne, „die institutionalisierte Erinnerungskultur umzuschreiben“, sagt er: Das bleibt zu hoffen. Und auch:  „Ich hoffe, dass sich das nicht wieder verläuft und eine kulturelle Revolution angestoßen wird … Da steht möglicherweise ein tiefgreifender kultureller Wandel in unseren Gesellschaften an.“

 

Man sehe sich schnell noch dieses Video über Kant (1724 -1804) an, bevor es unter dem Zensurhammer kurz und klein geschlagen wird. Es beginnt mit einer „Verbeugung des dichterischen Genies“ Friedrich Schiller vor dem Philosophen – der gehört freilich gleich mit an den Pranger, denn der Freund meines Feindes… Kant war Vordenker der freiheitlichen Rechtsordnung und Verfechter der unantastbaren Würde des Menschen, so wie es heute im Grundgesetz steht. Das schmeckt einigen rotstichigen Genossen ebenso wenig wie seine Begeisterung für die Religionsphilosophie. Sie arbeiten sich jedenfalls seit vielen Jahren an der Herabstufung des Würdebegriffs im Rechtskontext ab. Ich verweise auf diesen Text aus 2015: „...Die Relativierung der Unantastbarkeit der Würde kann auf Politik und Gerichtsbarkeit durch-schlagen – insbesondere, wenn der Bevölkerung ein Verfassungsaspekt nicht mehr einleuchtet oder ihr quasi ausgeredet wird … Würde aber die unverlierbare Menschenwürde relativiert, dann wäre dies zwangsläufig ein Einfallstor für die totale Verfügung über Menschen…“ 

 

Ein heutiger Kant wäre gegenüber solchen Vorstößen wohl empfindlicher Störfaktor gewesen. Was Michael Zeuske anbelangt: Für einen treffsicheren ersten Eindruck genügt eine Kurzvorstellung über ihn beim „Rotpunkt Verlag“ und die Hintergrundinfo, dass dieser  Verlag (CH) als Genossenschaft „auf Beschluss der Parteileitung der Progressiven Organisationen“ mit dem Zweck gegründet wurde, „Herausgabe und Verbreitung sozialistischer Literatur zu fördern“. Man sollte indessen aufmerksam beobachten wohin die Wege führen, die geebnet werden.  

 

Zum Denkmalsturm siehe auch die Nachträge zum Text „Gnadenlos“ vom 13.6.2020.

 

Nachtrag vom 26.6.: Auf www.tearthisdown.com/de/ haben das Künstlerkollektiv Peng! und die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) eine Landkarte erstellt, "die das Ausmaß der problematischen Erinnerungskultur deutlich machen soll: Auf ihr sollen Straßennamen, die nach abwertend Begriffen für Schwarze Menschen heißen oder an Kolonialisten erinnern, gesammelt werden". Ihr Ziel ist: "Umerinnern statt nur Umbenennen." Quelle: Deutschlandfunkkultur

 

Nachtrag vom 24.9.: Absurd: ...erkennt nun die "Chefbibliothekarin der British Library, in Beethoven und im jüdischen Komponis-ten Felix Mendelssohn-Bartholdy Symbole der 'White Supremacy': Büsten sollten entfernt und Spielpläne überdacht werden. Der Unfug ist uferlos. Was diese Gleichberechtigungsvordenker-innen und -vordenker nicht begreifen wollen, ist, dass Beethoven und Mendelssohn nicht dominieren, weil sie Weiße, sondern, weil sie verdammt gute Komponisten waren." Letztes Jahr träumten die Spinner noch "vom afrodeutschen Beethoven".  

 

Weitere Fallsammlung: "Cancel Culture im deutschsprachigen Raum."


10.6.2020

Wo bleibt die antirassistische Haltung? 

 

Nach den gewalttätigen Ausschreitungen bei den Antirassismus-Demos in den USA sowie in mehreren deutschen Großstädten nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch Polizeigewalt in Minneapolis stellt sich erneut die Frage, inwiefern es einigen Aktivisten tatsächlich um einen antirassistischen Mainstream in der Gesellschaft geht. Martin Luther King jedenfalls hätte allerhand Anlass, im Grab mehrere Saltos zu schlagen. Was er bei seiner historischen Rede 1963 beim „Marsch auf Washington“ sagte: „Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden.“  Wie man bei der Bundeszentrale für politische Bildung weiter erfährt, ist das Außergewöhnliche seines Wirkens: „dass es King gelingt, in seiner Rede die Bürgerrechte für die Afroamerikaner einzufordern, ohne gegen die weiße Bevölkerung der USA Stimmung zu machen“. (!) Manche Aktivisten propagieren genau das Gegenteil. Das fängt schon da an, wo die Demos „Black Lives Matter“ heißen (siehe auch: „Schwarz ist am Samstagmittag die bestimmende Farbe“), wohlfeile Medien ständig von „Menschen anderer Hautfarbe“ schreiben und alle Nase lang Workshops zum „Kritischen Weiß-Sein“ initiiert werden. Dass damit rassistische Gedankenführung betrieben und weiter zementiert wird würde wohl jedes Grundschulkind verstehen, wenn man es ihm in Ruhe erläuterte. Auch der von Medien gelobhudelte Kniefall etlicher Demonstranten vor Opfern rassistischer Gewalt hätte der Theologe Martin Luther King, der die Bürgerrechtsbewegung eng mit der christlichen Lehre verband, vermutlich abgelehnt. Er hat Harmonie und Frieden zwischen den Menschen gepredigt – und zwar ohne irgendeinen Fokus auf die Hautfarbe zu setzen; die sollte nämlich keine Rolle im Miteinander spielen, sondern der Charakter. Was hingegen heute vielerorts gepredigt wird ist: Kampf. Es ist auch unschwer zu übersehen: vielfach geht es um politische Instrumentalisierung, um platt zu walzende Feindbilder zu pflegen und entsprechende Aggressionen zu schüren; stets auf dem Sprung, sich bei der Zersetzung des auserkorenen Gegners in Schadenfreude zu suhlen. Nein, mit solchen Charakteren ist kein antirassistischer Mainstream zu machen. Weit gefehlt. 

 

Nachtrag vom 21.6.: "Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellt eine deutliche Radikalisierung in Teilen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene fest ... Kleingruppen zeigen laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz steigende Gewaltbereitschaft. Opfer würden 'gezielt' ausge-sucht. Der Schritt zur 'gezielten Tötung' eines politischen Gegners sei nicht mehr undenkbar."

 

Nachtrag vom 1.7.: "Trotz großer inhaltlicher Übereinstimmungen zwischen den Fraktionen mit Ausnahme der AfD, lehnte der Kulturausschuss am Mittwoch alle Anträge der Oppositionsfraktionen zur Aufarbeitung des koloniales Erbes Deutschlands und zum Umgang mit Kulturgütern aus kolonialen Kontexten ab..." Außerdem: "Stiftung gegen Rassismus" instrumentalisiert Martin Luther King für "Anti-Schwarzen-Rassismus". King wollte weder eine Trennung oder Bevorzugung/Benachteiligung nach Hautfarbe noch Rassismus gegen Weiße.

 

Nachtrag vom 12.9.: "Weil es Kritik von Eltern an der Übungsheftreihe 'Meine Indianerhefte' gab, verzichtet der Ernst Klett Verlag künftig auf jegliche Bezüge zur indigenen Bevölkerung."