7.8.2021

Person sein

 

So, ich werde im Laufe des Septembers dieses unselig gewordene Land dauerhaft verlassen und jetzt die Berichterstattung auf dieser Homepage einstellen. Die Corona-Politik im europäischen Ausland gestaltet sich zwar ähnlich oder auf den ersten Blick teils sogar noch repressiver. Wesentlich für meine lebensqualitativen Belange ist jedoch der zwischenmenschliche Umgang. Es ist, einmal mehr, offenkundig, dass sich etliche Deutsche besonders gut gefallen beim Kommandieren und Zurechtweisen – der Beobachtung nach – insbesondere sympathisch erscheinender Leute. So trägt die zur zwischenmenschlichen Maßlosigkeit aufrufende Corona-Politik, etwa mittels Schüren von Hass auf ungeimpfte Bürger, auch dazu bei, die neidbesetzte Aversion unsympathischer Zeitgenossen gegenüber jenen, die über eine wertvolle, aber nicht käufliche Wesensart verfügen, zu kanalisieren. Anderswo freut man sich über sympathische Menschen und pflegt noch angemessene Achtung vor der Privatsphäre anderer. Was es weiter zur Mentalität devoter Corona-Mitläufer zu erkennen gilt ist bereits auf dieser Seite angedacht

 

Es wird sich früher oder später zeigen, dass nicht nur die Kritiker, welche die Menschenrechtsidee verteidigen, für ihre Widerständigkeit einen Preis bezahlen. Ganz gleich wie es ausgeht: All die bequemen Mitläufer, die sich, nur „um ihre Ruhe zu haben“, mit fragwürdigen Stoffen impfen lassen und ergo keinerlei Einsatz zum Erhalt der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu investieren bereit sind, werden feststellen, dass sie sich keineswegs auf der sicheren Seite befinden. Gemeint sind nicht nur potenzielle Folgen der Impfung. Die Macht kennt üblicherweise keine Gnade und lässt ihre Gefolgschaft, sollte sich die politische Agenda ändern, fallen wie eine heiße Kartoffel. Ob am Ende tatsächlich nur ungeimpfte Bürger an Grundfreiheiten einbüßen ist also keineswegs ausgemacht. Die mediale Vorarbeit über eine Resistenz bestimmter Virus-Mutanten gegenüber Impfstoffen spricht eher dafür, dass die Tonangeber alles daransetzen, langfristig die gesamte Gesellschaft zu drangsalieren. Nicht zu unterschätzen ist außerdem: Wer sich dafür entscheidet, alles mitzumachen und jeden vorgesetzten Klops hinunterzuschlucken, „nur um seine Ruhe zu haben“, mag sich vordergründig mit sich selbst arrangieren können. Die faktische Zuarbeit zu einer hochgradig destruktiven Politik wird interpsychisch trotzdem am Gewissen nagen. 

   

Man käme aus dieser Sache am ehesten wieder heraus und hätte gleichzeitig einen immensen lebensqualitativen Gewinn, wenn erstens die Bereitschaft zu schonungslos ehrlicher Introspektion gegeben wäre und man zweitens wieder Wert darauf legte, „Person“ zu sein. Der heterogene Begriff mit seiner reichhaltigen Historie stand auch Pate bei der Begründung der Menschenrechte, die für die Gewährleistung der persönlichen Entfaltung stehen – setzt voraus, dass man sich über sein Personsein bewusst und sich gewahr darüber ist, was authentischerweise zu einem passt; zum Beispiel welche Gedanken oder politische Einstellungen man mit seinem Gewissen gut vereinbaren kann respektive was mitzutragen man bereit ist und was nicht. Und zwar erst mal unabhängig von Bewertungen anderer Menschen im nahen und weiteren Umfeld. Das Stichwort ist: mentale Emanzipation.

 

Wie es sein kann, dass im 21. Jahrhundert die – geschlechtsunabhängig gemeinte – Emanzipation unter die Räder kommt, ist wesentlich mit der (bewusst forcierten?) „Personvergessenheit“ zu erklären. Der Philosoph und Theologe Raphael E. Bexten machte sich darüber ausführliche Gedanken für seine Dissertation „Was ist menschliches Personsein? Der Mensch im Spannungsfeld von Personvergessenheit und unverlierbarer ontologischer Würde“. Das Problem formuliert er so: „Das, was eigentlich ontologisch die Person ausmacht, ist in ihrem authenti-schen Dasein und Sosein in Vergessenheit geraten … Hieraus ergeben sich ein inadäquates Verständnis der menschlichen Person, auch inadäquate Handlungen und Einstellungen und Grundhaltungen in Bezug auf die menschliche Person und die personale Gemeinschaft.“ Das beinhalte einen „sittlichen Unwert“, weil etwa ein rein empirisch-funktionaler Personbegriff unter Auslassung transzendenter, auch spiritueller Eigenschaften keine menschliche Person konstituieren kann; also: dem Menschen mit seiner Würde nicht gerecht wird. Weiter meint der Autor: „Die Erkenntnis, dass die menschliche Person ihrer Eigentlichkeit – ihrer ontologischen Wahrheit entsprechen kann, drückt sich insbesondere in der Wahrheitsfähigkeit der menschlichen Person aus. Die Wahrheitsfähigkeit der bewussten und erwachten menschlichen Person kann als notwendiges Wesenscharakteristikum begriffen werden … denn nur eine wahrheitsfähige menschliche Person ist zur Selbsttranszendenz fähig. Nur wahrheitsfähige menschliche Personen können sich öffnen für die gemeinschaftsstiftende Begegnung anderer menschlicher Personen und diesen in der Selbsttranszendenz auch wirklich begegnen.“ 

 

Hingegen reduziere eine rein empirisch-funktionale Sichtweise das Sein der menschlichen Person und interpretiere es um respektive weg. „Dies kann schwerwiegende Konsequenzen bzgl. des Selbstverständnisses des Menschen und der Beziehung zu anderen Menschen und somit der menschlichen Gesellschaft haben. Dies wird besonders deutlich in den Diskussionen, die den Beginn und das Ende des personalen menschlichen Lebens betreffen … Einem Menschen das ontologisch-menschliche Personsein, aus welchen Gründen auch immer, abzusprechen, ist also … unter allen Umständen immer falsch und deswegen zu unterlassen. Vielmehr sollte jeder Mensch im Umgang mit sich selbst und anderen Menschen dem menschlichen Sein, also menschlichem Personsein gerecht werden, das eine ontologisch unverlierbare Würde besitzt.“

 

Wie weit man sich von diesem Anspruch entfernt hat, lässt sich nicht erst seit der Corona-Politik feststellen. Die pauschale Zuordnung von Personen zu öffentlich geschmähten Menschengruppen, regelmäßig nach bösartig motivierter Interpretation getätigter Äußerungen dieser Personen, lässt jeden Respekt vermissen. Zynischerweise im Namen der Antidiskriminierungspolitik hat man besonders hierzulande seit Jahren dazu eingeladen, eigenständig denkenden Menschen gegenüber so richtig die Sau rauszulassen. Die Prahlerei dabei ist nichts weiter als heiße Luft. Denn wie die Neue Zürcher Zeitung gerade treffend zum geistigen Reifestand der hiesigen Bevölkerung schreibt: „Im Vergleich der drei deutschsprachigen Staaten scheint es den Deutschen am schwersten zu fallen, ohne die Schwimmhilfen des pandemischen Obrigkeitsstaates auszukommen.“ 

 

Da der Gruppenkonformismus inzwischen einen ungebührlich hohen Stellenwert genießt, ist Besserung nicht wirklich in Sicht. Das hat nachhaltige Folgen, wie auf dieser Seite schon ver-schiedentlich ausgeführt: „Das Individuum verliert die Fähigkeit, unabhängige Entscheidungen zu treffen und unter unbekannten Bedingungen navigieren zu können; es trägt zur Bildung totalitärer Staaten … bei; verursacht ... Vorurteile gegen die Minderheit; verringert die Fähigkeit, einen wesentlichen Beitrag zur wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklung zu leisten, da die kreative Idee und Originalität des Denkens entwurzelt wird.“ Vielfach fehle eine eigene politische Position; politische Verhaltensstereotype werden lediglich gedankenlos kopiert. 

 

Solcher Automatismus kann sich dann auch in der personalen Erlebniswelt einschleichen. Wenn die oftmals nur aus Worthülsen bestehende politische Rhetorik Emotionen ihrem Wesensgehalt enthebt, dann mag es den ergebenen Zuhörern dennoch erscheinen, als seien sie voller „Social Emotion“ – obwohl sie tatsächlich keinerlei Gefühl erleben, sondern nur konditionierte Reiz-Reaktionsmuster abspielen. Es bliebe zu hinterfragen, inwiefern auch die Panik-Treiberei der Coronisten bei den Leuten gar nicht wirklich Angst produziert, sondern lediglich erwartungsgerechte Reaktionsmuster auslöst. Das könnte allerdings nur beantworten, wer zu schonungslos ehrlicher Introspektion bereit und fähig ist. Interessant zu wissen wäre es allemal. 

 

Zum Konformismus steht dort noch ein kurzweiliger Aufsatz: „Konformität wird auch als Weigerung angesehen, die vorherrschenden Tendenzen zu bekämpfen, auch wenn sie intern abgelehnt werden, … nicht bereit sind, die eigene Meinung zu äußern, nicht bereit sind, die persönliche Verantwortung für begangene Handlungen zu tragen, sich blind und unerklärlich Befolgung aller Anforderungen und Richtlinien, die vom Staatsapparat“ ausgehen, unterordnen. Ein Gros solcher stets konformistischer Leute unternimmt ja ansonsten allerlei Anstrengung, um im Umfeld als tadellos zu erscheinen nach dem Motto: Seht her, ich mache alles richtig. Nur weithin unreflektiert kann man mit dieser Ambivalenz mit sich selbst im Reinen sein. Das erklärt letztlich auch den Mangel an politischem Urteilsvermögen. Tragisch ist das.

 

Es wäre schon möglich, sich aus dieser unseligen Verflechtung zu lösen. Im Beitrag „Auf´s falsche Pferd gesetzt?“ sind die richtigen Fragen dazu gestellt: „Kann man über seinen (oftmals falschen) Stolz hinwegspringen, das Wesentliche wirklich auch das Wichtige und Richtige sein lassen und Korrekturen vornehmen? … Können Sie falsche Entscheidungen revidieren? Haben Sie den Mut und die Kraft einen neuen oder manchmal sogar alten Weg einzuschlagen? Haben Sie die Einsicht auf falsche Ratgeber gehört zu haben? Haben Sie den Charakter zu sich und anderen Menschen sagen: Entschuldigung – ich habe mich geirrt! Haben Sie das Rückgrat?“ 

 

Der Autor resümiert: „Wir machen die Welt um uns herum schon ein Stück heiler und besser, wenn wir … für Klarheit und Wahrheit sorgen! Wir sollten damit anfangen ‚Entschuldigung‘ zu sagen, statt zu tun als ob … Wir sollten Dinge ändern, wenn wir wissen, dass sie nicht richtig sind, statt sie zu tolerieren und unsere Schmerzgrenze nach oben zu schrauben … Wir sollten uns für das Richtige statt für das Bequeme entscheiden … Wenn wir auf unser Herz und nicht auf unsere Bequemlichkeit hören, dann wissen wir, was für uns stimmig ist!“ Damit könnten sich im Übrigen auch zwischenmenschlich ganz neue fruchtbare Wege auftun. 

 

Um was es im breiteren Kontext aktuell und immer wieder gehen muss, hat Raphael E. Bexten als Zitat seiner Dissertation vorangestellt: „Alles, was im entferntesten mit dem Antipersonalismus zusammenhängt, ja was von dem heutigen Aufstand gegen den Geist [... ] irgendwie beeinflusst ist, muss schonungslos entlarvt [... ] und bloßgestellt werden. Überwindung der Diskreditierung des Geistes, Zurückweisung der vitalen Sphäre [... ] in ihre Schranken, Rehabilitierung der geistigen Person in ihrem wahren Wesen und Wert ist heute das große Gebot der Stunde!“ (Hildebrand, 1994, S. 197), (Vgl. Seifert, 1998, S. 158; S. 147-158) 

 

Derweil sollte man doch all das, was für einen als Person stimmig ist und anderen Personen keinen Schaden zufügt, so gut wie möglich leben oder sich zumindest dem annähern. Leitsatz könnte sein: Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan und niemand kann sie zuschließen.

 

Nachtrag vom 28.8.: Wie im obigen Text so ähnlich erwartet: "Pfizer-Chef mit düsterer Prognose - müssen wir von vorne anfangen? - Albert Bourla, Chef des Pharma-Unternehmens Pfizer, hält es für wahrscheinlich, dass bald neue Corona-Impfstoffe nötig sein werden. Das Sars-CoV-2-Virus könnte mit weiteren Mutationen impfstoffresistent werden … Sollte eine neue Variante auftauchen, vor der die Corona-Impfstoffe nicht mehr ausreichend schützen, müsste die ganze Welt im Prinzip wieder von vorne mit dem Impfen anfangen … Auch der Biontech-Chef Ugur Sahin hatte angekündigt, dass man sich auf die Anpassung des Impfstoffes für neue Mutationen vorbereite." Jetzt fragt man sich natürlich, auf welcher Legitimität die Bevorteilungspolitik für Geimpfte überhaupt noch beruht.

 

Nachtrag vom 29.8.: Staatsrechtler Henrik Eibenstein: "Nimmt man Geimpfte und Genese selbst in den Blick, werden sie nach aktuellem Wissensstand einen besseren Schutz vor schweren Krankheitsverläufen haben. Doch wenn mit einer potenziellen Überlastung des Gesundheits-systems argumentiert wird, so wirken neuere Studien aus dem Ausland, nach denen Geimpfte wohl in einem beträchtlichen Ausmaß an der Übertragung der Delta-Variante beteiligt sind, äußerst ernüchternd. Die Delta-Variante macht in Deutschland mittlerweile etwa 95 Prozent aller Infektionen aus." Das verschärfe sich, wenn für Geimpfte und Genese keine Testpflicht besteht.

 

Nachtrag vom 31.8.: "Nie wieder Lockdown für Geimpfte? Von wegen! In Rosenheim (zweithöchste Bundesinzidenz mit Wert von 217; Stand: 30. August) werden auch Immunisierte seit Samstag wieder in ihren Freiheiten eingeschränkt. Dort gilt: Kontaktbeschränkungen – egal ob geimpft, genesen oder nicht." Erlaubte Treffen: zwei Haushalte mit bis zu zehn Personen.