27.12.2020

Gedanke zum Jahresabschluss

 

Gen Jahresende trudeln wie immer unterschiedliche Interpretationen und Analysen über das ausgehende Jahr in die Medien ein. Diesmal fällt die Rückschau im Zuge der Corona-Krise wohl noch einen Tick pathetischer aus als sonst. Schon liest man etwa von Epochen-Wechsel, vom Ende der Demokratie oder hingegen von Chancen der gesellschaftlichen Weiterentwicklung – je nach Perspektive, aber auch je nach dem Nutzen politischer Instrumentalisierung und nicht zuletzt je nach persönlicher Betroffenheit von Lockdowns. Im zwischenmenschlichen Gefüge fällt jedenfalls auf: Hier und da streben gerade jene, die bislang durch maximal mittelmäßige Begabung in Erscheinung treten, in die Rolle des aufsteigenden Funktionärs, für den jeder Anflug von rationaler Differenziertheit schon Verrat an der Sache bedeutet. Sie nutzen Corona als Sprungbrett für den Ausbau ihrer Machtstellung in Beziehungsgefügen. Es lässt sich nämlich diverses Unvermögen, etwa zuzuhören, logischen Argumenten zu folgen, ganzheitlich zu denken oder einfach nur freundlich gesinnt zu sein, beim strammen Marschieren in die vorgegebene Richtung vortrefflich in das unbedingte Engagement für die gute Sache ummünzen. 

 

Während solchen und ihren Seilschaften die Gunst der Stunde schlägt, sollten sich sympathischere Gemüter in erster Linie hüten vor einer „fluidalen Ansteckung“, wie es der Schriftsteller Friedrich M. Huebner (1886 – 1964) in einer Abhandlung über „Menschen mit abträglicher Ausstrahlung“ schrieb: „Es sind die parasitischen Naturen, die, ohne echtes und eigenes Lebevermögen, ihre Fangarme beständig nach anderen ausstrecken, um sich an diesen zu … mästen.“ Solcher „Überrumpelung“ setze man bestenfalls „Unerschütterlichkeit“ entgegen. Wenn das nicht gelingt, solle man sich jenen entziehen, die an einem zehren, um ihnen die „atmosphärischen Zuschüsse“ zu verweigern. Selbst schwinge man sich hernach in „behaglichere Sphären“ mit „erquickender Aura“. Sollte auch dies keine Option sein, dann glückt vielleicht die Verkehrung eines negativen Einflusses in einen positiven, letztlich stärkenden: Das Versehrtwerden ist dann ein – ohnehin nötiger – Heilvorgang zur Erneuerung des Wesens. Ein so gewachsener schöpferischer Sinn entstehe immer wieder: „Man sieht täglich das Widersprüchliche: Wie aus beeinträchtigenden Anlässen just die fördernden Wirkungen hervorgehoben werden. Da wird einer beherzt, weil ihn die Entschlusslosigkeit seiner Umgebung bekümmert; da werden Leute gescheit, aus Protest gegen Dumme; da kommen in einer Nation geistige Talente zum Erblühen, weil sie von oben her in Dumpfheit gehalten werden … Das an und für sich Feindselige spielt in diesen Fällen die Rolle des Dynamits, das sprengend daher fährt, aber gleichzeitig damit die Materialien für den neuen Aufbau bereitstellt.“


19.12.2020

Die Stunde des Hochmuts

 

Zur „dritten Welle der grassierenden Selbstgerechtigkeit“ hat diesmal die Wochenzeitung Freitag schöne Formulierungen gefunden. Ein Beispiel aus der Kommunikation des Berliner Regierenden Bürgermeisters: „Wie viele Tote ist uns denn ein Shopping-Erlebnis wert?“ Die Analyse: „Es ist ein herablassendes Sprechen, durchtränkt von der eigenen Rechtschaffenheit … Einkaufen gehen bedeutet nun nicht nur, das Leben anderer zu riskieren, sondern direkt für deren Tod verantwortlich zu sein. Von solch einer Rhetorik können sich die Rechtspopulisten noch eine Scheibe abschneiden.“ Im Zuge „all der moralisierenden Schuldzuweisungen und dem unablässigen Panikverbreiten“, das „auch noch wissenschaftlich“ sein soll, ist „Widerspruch zwecklos, die Moral siegt immer“. 

 

Wirklich moralisch ist solch ein Hochmut freilich nicht. Denn dieselben mittelmäßigen, üblicherweise auch unkreativen Protagonisten, die sämtlichen Corona-Anordnungen ehrfürchtig huldigen und unhinterfragt Folge leisten, sind dann schon mal ganz schnell dabei, kritischeren Zeitgeistern Corona-Leugnung und vorsätzlichen Regelbruch anzudichten und das ebenso zügig im Umfeld zu verbreiten. Ehedem gab es für so was eine Bezeichnung, nämlich: Rufschädigung. Immerhin erübrigen sich infolge dieses Outings weitere Spekulationen darüber, inwieweit aus Gesprächen mit sich selbst überschätzenden an die Vernunft-Appellierer, deren Verstand schon bei der Bereitschaft zur alternativen Informationsbeschaffung streikt, Erkenntnisgewinne zuwachsen. Eher wird man eine banal-populistische Undifferenziertheit feststellen, die sich etwa aus der intellektuellen Überforderung speist zu verarbeiten, dass jemand Wert auf Hinterfragen legt oder um die Grundrechtswidrigkeit von Verordnungen weiß und dennoch, als Resultat relevanter Abwägungen, Corona-Regeln einzuhalten bereit ist.  

 

Selbst charakterfeste Kritiker sollten allerdings bedenken, dass die Versuchung nach solcherlei unproduktiven Interaktionen ansteckend sein kann, selbst einer Selbstgerechtigkeit anheimzu-fallen. Das ist aus Gründen der innerseelischen Lebensqualität nicht anzuraten. Als Gegenpol zur hochmütigen, narzisstischen Selbstgerechtigkeit fungiert nach wie vor die Demut, die es gerade jetzt weiter zu pflegen gilt. Ein Existenzcoach gibt in diesem Video Anregungen zu prüfen, ob man sich auf dem unseligen Weg zur Selbstgerechtigkeit befindet. Eine relevante Geschichte aus den „Lehren des Samurai“ wird hier erzählt. Eine Therapeutin meint aus psychologischer Sicht:  Demut (in scharfer Abgrenzung zur Demütigung) ist eine Einstellung, die eng an die Würde gekoppelt ist und Menschen zugänglicher macht, da diese um ihre Verletzlichkeit und Berührbarkeit wissen. Bei narzisstischen Menschen nehme sie eher ein „hohles“ Gefühl wahr. Und die christliche Sicht deutet dieses Gespräch an: Demut als Lebenshaltung, in der man sich sowohl im Leben als auch im Sterben gehalten sieht. Der Autor sagt bezüglich Abgrenzung zur säkularen Verzwecklichung der Demut: „Eine Grenze ist, wenn nicht mehr Gott unseren Dienst verlangt, sondern andere Götter, andere Götzen auf uns zugreifen und sagen: Jetzt sei du mal schön demütig … das heißt, eine Grenze ist da, wo die falschen Götter Anspruch auf mich erheben. Und die andere Grenze ist auch im Mitmenschlichen, wo meine Freiwilligkeit unter Druck gesetzt wird.“ Das Gespräch fand 2016 – lange vor der Corona-Krise – statt.

 

Im Luftwurzelarchiv finden sich weitere Beiträge zum Thema.


12.12.2020

Orientierungslos regrediert

 

Im Effekt entpuppt sich die Corona-Krise als Hort der Diskrepanzen. Auf ideeller Ebene will man die Einheitsmeinung, also kollektives Denken, auf realpraktischer Ebene aber das zwischenmenschliche Auseinanderdriften – siehe Kontaktverbote. Man predigt Solidarität, forciert aber tatsächlich Exklusion ganzer Menschengruppen aus dem scheinbar edlen Motiv heraus, „Risikogruppen“ zu schützen – eine undemokratisch diktierte Festlegung, die eine Erörterung darüber nicht mehr zulässt, ob die Teilhabe an der Gemeinschaft am Lebensende für viele Hochbetagte existenziell wichtiger sein kann. Man zollt der Parole „Leben schützen“ höchsten Tribut, bewirbt aber im öffentlich-rechtlichen TV parallel den Selbstmord (vgl. Beitrag vom 23.11.2020) – aus gerade dem Grund heraus, nämlich dem Verlust der Gemeinschaft, dem man bei nicht suizidwilligen Alten lediglich einen untergeordneten Rang einräumt. Man behauptet, Beschäftigte im Gesundheitsbereich seien besonders gefährdet und müssten ganz dringend geimpft werden, obgleich diese Einrichtungen derzeit die am besten geschütztesten sind. Politischerseits nimmt man täglich mehrfach das Wort „Demokratie“ in den Mund, regiert aber real entgegen der Verfassung und schwärmt von der chinesischen Autorität. Jahrelang proklamiert man die freie Gesellschaft und ergibt sich gleichzeitig einem „Überbietungs-wettbewerb im Verbieten“. Wissenschaftsgläubigkeit wird zur neuen Religion hochstilisiert, während man die „Flut an potenziell minderwertiger Forschung“ schlicht ignoriert

 

Angesichts der entstandenen Orientierungslosigkeit unterliegt die Bevölkerung offenbar dem Zwang, sich undifferenziert und kompromisslos der einen oder anderen Seite zu unterwerfen – nur typisch insbesondere für die hiesige Gesellschaft, die en Gros traditionell lieber Extreme als „Augenmaß und Fakten“ kennen will. Ein plastisches Beispiel ereignete sich gestern vor einem Edeka-Markt: Höchst aufgebracht ließ dort einer in entsprechender Tonstärke über maskenlose Demonstranten verlauten: „Früher hätte man die eingesperrt; da wär’n die ins Lager gekommen. Heute laufen die alle frei rum.“ Auf dem Rückweg dann rief eine, vermutlich von der Gegenseite, in ihr Telefon: „Dieses geisteskranke Pack überall!“ Tatsächlich fallen also sämtliche andere Masken, die nicht aus Material bestehen. Höflicher Respekt war gestern. Die Leute lassen sich interpsychisch gehen. Sie regredieren. Aus gruppenpsychologischer Sicht erläuterte kürzlich das Psychologie-Magazin den Kontext einer „Regression der Masse“, wenn auch etwas zu idealtypisch an den Polen. Eigentlich bietet die (zwischen)menschliche Vielfalt noch deutlich mehr Nuancen und differenziertere Entwicklungspotenziale. 

 

Jedenfalls eine hervorzuhebende Erklärung ist diese: „In einem Vakuum der Orientierung, in dem nichts mehr klar ist, etwa, was man denn jetzt noch machen soll und wofür, entsteht sofort ein Klima des wechselseitigen, angsterfüllten, paranoiden Misstrauens.“ Es finde im Zuge von Regressionen auch Lagerbildung statt: in eine Abhängigkeitsgruppe einerseits und eine Kampf- und Fluchtgruppe andererseits. In der „fortgeschrittenen Regression ist jeder, der von der genau-en Linie abweicht ein Feind, ein potentieller Verräter und der beste Schutz vor Verrat scheint die Ausweitung der Kontrolle, am besten in den privaten Raum und auf die Gedanken zu sein“.  Kennzeichnend sei eine Entindividualisierung. „Auf dieser Stufe der Regression gibt es nur die Alternativen des totalen Triumphs oder Untergangs. Es scheint der wichtigste Punkt des eigenen Lebens zu sein, sich hier vollkommen in den Dienst der ohnehin gefühlten Einheit mit dem Führer oder der großen, allumsorgenden Mutter der Säuglingswelt, vor jeder Moral zu stellen.“

 

Regression entstehe auch, wenn der Anführer willkürlich und exzessiv straft, die Strafe rational unnachvollziehbar ist. „Das wiederum hängt auch vom Zustand breiter Teile des Bevölkerung zusammen … Die Machtverhältnisse von Führung und Gefolgschaft sind weniger asymmetrisch verteilt, als man meint. Ob Angestellte oder Bürger eines Staates, sie können sich komplett verweigern, in dem sie innerlich kündigen, ... man funktioniert nur noch im Modus ‚Dienst nach Vorschrift‘, hält innerlich den Mittelfinger hoch und tut keinen Deut mehr als man muss. Ob Staat oder Firma, beide sind vom freiwilligen Engagement ihrer Bürger und Mitglieder – etwas mehr zu tun als nötig – abhängig, sonst läuft schnell gar nichts mehr. Die Führung kann darauf exzessiv reagieren und zum paranoiden Terror- und Überwachungsstaat werden, aber das fördert nur die Regression.“ Ein Staat, der durch Terror und Angst regiert, zerstöre sich oft selbst. Es sei ein Spiel mit dem Feuer, Angstmacherei zu sehr zu strapazieren. Die Prozesse könne man nämlich „keineswegs so gut kontrollieren, wie man meint“. Der Autor empfiehlt, das erwachsene Individuum anzusprechen. „Man darf nicht nur so tun, als ob man dann und wann mal den Bürger ernst nimmt und den mündigen Bürger will. Eine Gesellschaft besteht nicht aus zu lobenden und zu strafenden Kindern, eine Infantilisierung der Bevölkerung ist dasselbe wie ein regredierte Bevölkerung, es geht um Kooperation auf Augenhöhe.“

 

Nachtrag: Virologe und Epidemiologe Klaus Stöhr, ehemals Leiter des Influenza-Programms der WHO, kritisiert den Regierungskurs: "Wo ist der Mittelweg, der im Dreieck zwischen Wirtschaft, Gesundheit und Freiheit bleibt, und bei dem keiner dieser Bereiche vollständig auf der Strecke bleibt? Bei der Begrenzung der gesundheitlichen Auswirkungen spielt Deutschland ganz vorn mit. Gesundheitsökonomen fragen aber jetzt nach der Verhältnismäßigkeit."


24.10.2020

Retrospektive…

 

…für’s Wochenende: Anno 1974 lief eine herzallerliebste Dalli Dalli-Sendung; unter anderen mit dem jungen Reinhard Mey, Edith Schollwer und dem Kinderbuchautor James Krüss, der folgendes Gedicht zum Besten gab: „Der Löffel sprach: ‚Ich war im Mund des Fürsten von Graf Sintern.‘ Das Fieberthermometer sprach: ‚Ich war in seinem Hintern‘.“ Hier zum Nachschauen

 

Ein schönes Retro-Stückchen auch: Die kleine Kneipe von Peter Alexander.


18.9.2020

„Philosophie gegen falsche Propheten“ 

 

Man weiß zwar nicht, wie er im Zuge von Corona gesprochen hätte, einige Sätze des österreichisch-britischen Philosophen Sir Karl Raimund Popper (1902 – 1994) während eines Interviews im Jahr 1974 passen dennoch wie die Faust aufs Auge. Es geht los mit der These „Alle Wissenschaft geht wesentlich spekulativ vor“, die er später näher erläutert. Aber: „Das Wichtigste ist, all jenen großen Propheten zu misstrauen, die eine Patentlösung in der Tasche haben und euch sagen: ‚Wenn ihr mir nur volle Gewalt gebt, dann werde ich euch in den Himmel führen‘.“ Gewalt aber müsse, ganz im Gegenteil, auf ein Minimum reduziert werden. „Gewalt ist selbst von Übel und wir können nicht ein Übel mit einem anderen Übel austreiben.“ In seinem Klassiker „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ wünschte sich Popper „eine Gesellschaft, in der man frei atmen kann, frei denken kann, in der jeder Mensch einen Wert hat und in der die Gesellschaft keine überflüssigen Zwänge über die Menschen ausübt.“ Bezüglich der westlichen Demokratien habe sich seit dem Krieg einiges verschlechtert: „Es ist der Fehler aller unserer Verfassungen,  dass unsere Parlamente praktisch allmächtig sind. Und diese praktische Allmacht der Parlamente wirkt sich dahin aus, dass die regierende Partei praktisch allmächtig ist und … dass der regierende Parteiführer praktisch allmächtig ist.“ Gegendert hat man damals freilich noch nicht. Jedenfalls sei aber die Grundidee der ganzen Demokratie, wieder ganz im Gegensatz zur tatsächlichen Lage, „die Macht zu beschränken“. Es bleibt die Frage, warum gerade jene aus der Politik das Wort „Demokratie“ ständig im Munde führen, die sie am allerwenigstens leben. 


6.6.2020

Unproduktive Kommunikation

 

Die Krux an der allgegenwärtig fehlgeleiteten Kommunikation, häufig auch im Privatbereich, mag nicht zuletzt in der gegenseitigen Bestätigung selbstkritischer Verweigerung begründet sein. Konkret: Die Pädagogik der Kommunikation zielt darauf ab, den Gesprächspartner in seiner mangelhaften Kompetenz an Selbstkritik zu bestätigen, indem man diese, voreilig resignativ, als unveränderbar hinnimmt und darauf aufbauend Überzeugungsstrategien entwickelt. Das Stangl-Lexikon für Psychologie und Pädagogik formuliert das unter Rückgriff auf den Philosophen Blaise Pascal (1623 – 1662) so: „Da niemand gerne zugibt, sich geirrt zu haben, empfiehlt Pascal, sein Gegenüber zunächst in den Punkten, in denen es richtig liegt, zu unterstützen, indem man ihm zustimmt. Um dann den anderen in einem zweiten Schritt vom eigenen Standpunkt zu überzeugen, sollte man vielmehr sein Gegenüber so lenken, dass dieser das Gegenargument aus eigenem Antrieb vertritt.“ Das Gegenüber wird also eher betüddelt als dazu herausgefordert sich anzueignen, Irrtümer oder Unzulänglichkeiten selbstbewusst zuzugeben und dies nicht als Schwäche, sondern als gereifte Stärke zu begreifen. Die kommunikativ übervorsichtige Rück-sichtnahme ist aber ein gesellschaftlich verankertes Manko mit größerer Tragweite, als man auf den ersten Gedanken hin vermuten mag. Der Fokus auf die Sache versus auf die intrapsychische Befindlichkeit reicht nämlich hin bis zur politischen Mündigkeit respektive Unmündigkeit. Schon in der Antike war es allerdings so, dass man unbequeme Zeitgeister, die falsche Gewissheiten erschütterten und Scheinwissen entlarvten, nicht gewähren lassen wollte. Sokrates (mehr zu ihm im Video) musste bekanntlich den Schierlingsbecher austrinken. Die befürchtete Scham vor der intellektuellen Bloßstellung durch die Fragerei des Philosophen war erneut wirkmächtiger als die „Liebe zur Weisheit“, die selbstkritische Eingeständnisse nicht mit Beschämung gleich setzt und daher mit Leichtigkeit aushalten könnte. Die Durchsetzung dieser Haltung in Politik und Gesellschaft würde einen enormen zivilisatorischen Fortschritt bedeuten. 


16.5.2020

Liberace: Ablenkung garantiert

 

Heute wäre er 101 Jahre alt geworden: Das „Wunderkind“ Władziu Valentino Liberace (Spitzname: Mr. Showmanship), begnadeter amerikanischer Pianist und seinerzeit bestbezahlter Entertainer der Welt; zumeist in extravaganten Kostümen. Das Kind einer Polin und eines Italieners spielte schon vor seiner Einschulung Werke aus der klassischen Musik. In den 1950ern heimste er siebenmal hintereinander den Preis für den schnellsten Klassikpianisten der USA ein. Liberace lebte wohl äußerst luxuriös und ausschweifend. 1987 starb er im Alter von nur 67 Jahren an den Folgen von AIDS. Er hat es stets verstanden, die volle Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zu binden. In Aktion ist er zum Beispiel hier zu sehen. Eine famose Interpretation unter anderem von „Strangers in the night“ steht dort zum Anschauen (!). 


5.5.2020

Kierkegaards 207.

 

Heute zum 207. Geburtstag von Søren Kierkegaard ein Schatzkästchen aus dem Netz: „Lessing und die objective Wahrheit aus Sören Kierkegaards Schriften“ (zusammengestellt von Albert Bärthold) – veröffentlicht im Jahr 1877, daher in altdeutscher Schrift und so richtig schön zum Durchblättern. Die exquisite Sprache ist Zeugnis für eine geistig-reflektierte Hochkultur, die wieder einzuholen sich heute kaum jemand bemüht. Wer möchte, kann gerne auch den Beitrag „Kierkegaard: Selbstdenkende Subjektivitäten“ vom 5.5.2013 zu dessen 200. Geburtstag lesen. 


20.4.2020

Nicht alle Menschen sind einfältig

 

Seit etlichen Jahren wird die Bevölkerung über das öffentlich-rechtliche Fernsehen und diverse Medienerzeugnisse mit dem Begriff „Hass“ bombardiert. Es vergeht kaum ein Tag, an dem dieses hässliche Wort nicht irgendwo skandiert wird. Manche mögen sich noch an Zeiten erinnern, als das als unanständig galt. „Bitte sprechen Sie nicht von Hass“, war vielfach gängige Haltung. Merkwürdig, dass die Bevölkerung die 180-Grad-Drehung in diesem Kontext nie hinterfragt. Die Mehrheit springt halt auf den Zug auf, mit dem Politiker und Medien in Zielrichtung emotionale Tieffliegerei durch die Gegend rasen. Es ist nämlich keineswegs so, wie unredlich vorausgesetzt, dass jeder Mensch hasst; das Phänomen ist mindestens jenen fremd, die etwa anstatt in Wut vielmehr in die Traurigkeit gehen und zwar nicht aus unterdrückter Aggression heraus, sondern weil es nicht zum authentischen Verhaltensrepertoire passt.

 

„Ich habe keine Feinde, ich kenne keinen Hass“, war auch die Erfahrung des friedfertigen Menschenrechtlers Liu Xiaobo. Bemerkenswert, dass gerade Menschen, die mit Hass nichts anfangen können, von autoritären Machthabern  besonders gehasst werden. Die chinesische Partei verfolgte Xiaobo gnadenlos bis in den Tod hinein. Was an ihm hat die Machthaber so verärgert? Seine sympathische, weil hassbefreite Persönlichkeit, derer sie selbst entbehren? Ist es das, was Jakob Wassermann (1873 – 1934) zu seinem „Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens“ aufschrieb? „Die Idee des ‚Caspar Hauser‘ war, zu zeigen, wie Menschen aller Grade der Entwicklung des Gemüts und des Geistes, vom rohesten bis zum verfeinertsten Typus, der zwecksüchtige Streber wie der philosophische Kopf, der servile Augendiener wie der Apostel der Humanität, der bezahlte Scherge wie der besserungssüchtige Pädagoge, das sinnlich erglühte Weib wie der edle Repräsentant der irdischen Gerechtigkeit, wie sie alle vollkommen stumpf und vollkommen hilflos dem Phänomen der Unschuld gegenüberstehen, wie sie nicht zu fassen vermögen, dass etwas dergleichen überhaupt auf Erden wandelt, wie sie ihm ihre unreinen oder durch den Willen getrübten Absichten unterschieben, es zum Werkzeug ihrer Ränke und Prinzipien machen, dieses oder jenes Gesetz mit ihm erhärten, dies oder jenes Geschehnis an ihm darlegen wollen, aber nie es selbst gewahren, das einzige, einmalige, herrliche Bild der Gottheit, sondern das Holde, Zarte, Traumhafte seines Wesens besudeln, sich vordringlich und schänderisch an ihm vergreifen und schließlich morden.“ Wie dem auch sei: Die Farbpalette menschlicher Reaktionsmuster ist jedenfalls wesentlich bunter und vielseitiger, als es die platte Hasspropaganda vermuten lässt. Von analytischer Treffsicherheit ist man sowieso weit entfernt, wo unter Hass auch das subsumiert wird, was sich bei differenzierter, empathischer Betrachtung eher als Hochmut oder überzogene Kritik entpuppt. Aber man beliebt ja Ungenauigkeit zu pflegen; damit die Leute nicht auf die Idee kommen nachzufragen.

 

Zum Beispiel nach der Sinnhaftigkeit gemeinnütziger Initiativen wie die „Hate Aid“, die sich, da teilfinanziert durch öffentliche Förderung, schon wieder etliche Stellenbesetzungen leisten kann. Bei solchen Projekten sind Menschen, die tatsächlich hassen, regelmäßig ausgeschlossen; obwohl man gerade mit ihnen ins Gespräch kommen müsste. Stattdessen geht es immer nur um Wiederholungen der ewig selben Phrasen innerhalb von Filterblasen. Trotz der Millionen von Euro, die für diese Selbstbeschäftigungszeremonien verschleudert werden, fragt nie jemand nach konkreten Erfolgsbilanzen – die ja offenbar ausbleiben, sonst gäbe es schließlich keinen Anlass, fortlaufend nach Handlungsbedarf zu rufen. Weitere kontextbezogene Aktionen: Die Grünen wollen wieder einen Maßnahmenkatalog gegen „Hass und Hetze“, „Facebook verschärft Kampf gegen Corona-Fake-News“ und im Bundestag ist ein „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ in Arbeit: „Im Internet und insbesondere in den sogenannten sozialen Medien sei eine zunehmende Verrohung der Kommunikation zu beobachten.  Dies gefährde letztendlich die Meinungsfreiheit, die der Staat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen habe.“ (Bundestagsnachrichten) So kann man die Sache auch hindrehen; es hinterfragt sowieso niemand, ebenso wenig, ob die Ergänzung der rechtswidrigen Inhalte „um das Delikt der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ ohne jede Einschränkung gilt, auch für Diktatoren? Da hätte die Justiz richtig viel zu tun. 

 

An der Spitze der psychologischen Fehlsteuerung steht die Mitteilung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres: „Eine gefährliche Epidemie der Fehlinformationen“ grassiere neben jener des Corona-Virus – von denen, wohlgemerkt, die große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung gar nichts mitbekäme, wenn nicht ständig darauf hingewiesen würde. Guterres weiter: „Lügen füllen den Äther“, „wilde Verschwörungstheorien infizieren das Internet“, „Hass breitet sich aus“. Dies müsse aber eine Zeit der „Solidarität“ sein und die Welt sich deshalb „auch gegen diese Krankheit vereinen“. Erstens gelte: „Der Impfstoff ist Vertrauen.“ Der Generalsekretär zollt Journalisten seinen Respekt, „die den Berg von irreführenden Geschichten und Beiträgen in den sozialen Medien auf Fakten überprüfen“. Keinerlei Rede ist in seiner Mitteilung von den widersprüchlichen Ansichten von Virologen und Ärzten, deren Einschätzungen, sofern man sie in der Breite ernst nimmt und zur Diskussion stellt, einen Kampf gegen „irreführende“ Beiträge ad absurdum führen. Denn wer genau der tatsächlichen Faktenlage am nächsten liegt, bleibt erst noch zu eruieren. Guterres aber kündigt „eine neue Kommunikations-Initiative der UN an, um das Internet mit Fakten und Wissenschaft zu füllen und gleichzeitig der wachsenden Geißel der Fehlinformation entgegenzuwirken“. Solche Auftritte mit dem verbal-pädagogischen Gestus der Einschüchterung werden natürlich keinerlei vertrauensfördernde Effekte erzielen. Die herausgeschälte Aussage ist ganz im Gegenteil: Wenn ihr uns nicht gehorcht, dann bekämpfen wir euch. Gerade so, wie es die kommunistische Partei mit ihren Dissidenten zu tun pflegt. Die Peitsche steckt stets in der Hosentasche.    


18.4.2020

Natur genießen!

 

Die arroganten Kopfschüttler vom ultrabiederen Rand dürfen gerne rechts liegen bleiben. Man darf sich nämlich selbstverständlich darüber freuen, dass sich Tier und Natur im Zuge mensch-licher Quarantäne erholen! Man genieße gerne die Videoaufnahme von „Venezia Pulita“ oder dieses Kurzvideo zur Zwitscherkunde. Vogel des Jahres 2020 ist übrigens die Turteltaube. Wer am Wochenende nicht rausgehen kann, findet hier einen Spaziergang-Ersatz


22.2.2020

Die Stunde der Deterministen

 

Wie sie jetzt alle um die Ecke kommen mit ihren küchentischpsychologischen Weisheiten. Die derzeit auffälligste Gemeinsamkeit in beiden Formationen an den politischen Rändern ist die Stigmatisierungswütigkeit. Schublade auf, Menschen rein, Schublade wieder zu und abschließen. Auf der einen Seite setzt man willkürlich geschlossene Kausalitäten in die Welt und bemüht sich noch nicht mal mehr um logische Schlüssigkeit. Wer Merkel kritisiert ist rechts beispielsweise oder wer die Gender-Ideologie kritisiert ist Antifeminist – postulieren gerade jene, die sich bezüglich der Frauenunterdrückung im Iran auffallend zurückhalten. Inwiefern dieser Stigmati-sierungsfetischismus sämtliche Grundsätze der Antidiskriminierungspolitik über Bord wirft, wird bezeichnenderweise nie thematisiert. Wesentlich bestimmend wäre hier nämlich gerade die Abwehr der Versuchung, Menschen unter Missachtung ihrer individuellen Besonderheiten pauschal unter eine Gruppe zu subsumieren. Dass hierzulande die allerhöchsten Staatsspitzen genau diese Stigmatisierungspolitik rhetorisch immer wieder zum Besten geben – man denke an die (!) „Hetzer“ und „Spalter“ – ist einer zivilisierten Demokratie komplett unwürdig. 

  

Auf der anderen Seite mutieren zum Zweck der Verharmlosung des Rechtsextremismus Psychiater zu Superstars, auf deren Couch man sich als kreative, ressourcenorientierte Person auch im Notfall nicht wirklich legen möchte. Daran ändert auch der Griff in die Mottenkiste der Beeindruckbarkeit nichts. Etliche Sozialarbeiter könnten ein schlechtes Lied davon singen, wie „Halbgötter in Weiß“ ihrer Klientel nicht selten mit unzutreffenden Diagnosen, angefangen schon bei der fehlerhaften Dokumentation wesentlicher biografischer Details, das Leben zusätzlich erschweren; diese damit sogar in kafkaeske Situationen bringen können, wo sie sich denn mit ihrem Anspruch auf Berichtigung durchsetzen wollen und sich dafür das Stigma des Querulanten einfangen, das dann noch zur Untermauerung der gestellten Falschdiagnose herangezogen wird. Sicherlich ist es hie und da schon vorgekommen, dass solche stigmatisierenden Prozesse psychische Krisen wesentlich verschärfen.

 

Die Dogmengläubigkeit so mancher psychiatrisch ausgebildeter Fachkraft führt dort zu grober politischer Fahrlässigkeit, wo man vermittelt, im Fall des Attentäters von Hanau habe dessen rassistisches Wahnsystem rein gar nichts und wenn überhaupt, dann nur zufällig, mit seinen persönlichen Grundeinstellungen zu tun. Das mag auf manche wahnhafte Konstellationen unpolitischer Natur zutreffen. Wer aber mit rassistischen und rechtsextremen Einstellungen rein gar nichts am Hut hat, der wird auch kein entsprechendes Wahnsystem aufbauen. Beschreibungs-texte zu psychiatrischen Diagnosen helfen hier jedenfalls nicht weiter. Es sind Klassifikationen, die Krankenkassen eine Richtschnur für Abrechnungsprozesse an die Hand geben. Ansonsten ist jeder Mensch individuell und mehr als die Summe seiner Teile. Es gibt im Übrigen inzwischen fachliche Diskurse darüber, sich  von dem starren Diagnosesystem völlig zu lösen, um dann intensiver auf einzelne Symptome einzugehen. Das nur mal zur Hintergrundinformation. Inwiefern das in der Behandlung so umzusetzen wäre, dass eine schnelle medikamentöse zielgerichtete Therapie in schweren Notfällen nicht gefährdet ist, bliebe weiter zu untersuchen.

 

Begrüßenswert wäre der Verzicht auf eine stigmatisierende, individuelle Besonderheiten außer Acht lassenden Klassifikation in der Hinsicht, dass eigenkreative Resilienzen mehr Raum bekämen. Denn glücklicherweise hängt längst nicht alles nur von Naturgesetzen oder Kausalitä-ten ab, wie es die allgegenwärtigen Deterministen in Medien, Politik und Gesellschaft weis machen wollen. Eine Autorin beim „e-Journal Philosophie der Psychologie“ hat sich in Bezug auf die akademische Mainstream-Psychologie vorbildlich differenziert damit auseinandergesetzt: „Die Automatizitäts-Doktrin wird also benötigt, um die eigene deterministische Grundüberzeu-gung zu unterfüttern, die eingenommen wird, weil man glaubt, nur als Determinist ordentliche Wissenschaft betreiben zu können“, wird ein Fachmann zitiert. Was aber, „wenn die Grundan-nahmen der wissenschaftlichen Forschung falsch sind“? Das Thema ist übrigens verflochten mit dem polarisierten Diskurs über Willensfreiheit und zeitigt daher eine weitreichende juristische Brisanz, etwa bei der Diskussion um Sterbehilfe oder bei der Verurteilung von Straftätern.

 

Zurück zum gegenwärtigen Diskurs über die Lage nach Hanau: Das hinter der Rhetorik stehende Menschenbild weist auf allen noch so gegensätzlichen Seiten deterministische Prägung auf. Das ist bequem. Der Glaube an Veränderbarkeit durch individuelle Gestaltungsspielräume ist hingegen weder kompatibel mit der Vergabe von Stigmata noch mit der Zurückweisung von Verantwortung. In diesem Sinne hat man auf der einen Seite endlich eine geordnete Migrations-politik umzusetzen und auf der anderen Seite der offensichtlichen Unterwanderung durch sich radikalisierende AfD-Anhänger im Kommentarbereich bestimmter Plattformen im Netz Einhalt zu gebieten, anstatt diese noch zu füttern. Jetzt sofort. Erst danach gibt es was zu verteidigen.

 

Nachtrag: "Fragwürdige Diagnosen der Seelenärzte." Siehe auch: "Diagnosendämmerung - Inzwischen wachsen Zweifel an der Aussagekraft dieser Diagnosen. Experten fordern ein neues wissenschaftliches Fundament." Außerdem: "Der Einfluss von Gutachtern auf die Strafjustiz ist groß – oftmals mit verheerenden Folgen für die Betroffenen."

 

Nachtrag vom 24.2.: Projekt beim Addendum: "Behandlungsfehler sind schwer zu definieren und leicht zu vertuschen – Experten fordern ein Umdenken bei Spitälern und Ärzten, um das Problem in den Griff zu bekommen." Siehe auch: "Stellen Sie sich vor, Sie kommen ins Spital und erhalten eine Diagnose, von der Sie wissen, dass sie falsch ist. Aber niemand nimmt Sie ernst. Genau das ist Marija P. passiert, mit tragischen Folgen: Weil ihr eine Magersucht anstatt einer Autoimmunerkrankung diagnostiziert wurde, sitzt sie nun im Rollstuhl." 


1.2.2020

Charakter und Charisma

 

Was für ein Glück, diese Dame im Netz gefunden zu haben: Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz ist unter anderem christliche Philosophin und emeritierte Professorin für Vergleichende Religionswissenschaften. „Ein Leuchtfeuer im Nebel der postmodernen Landschaft“, wie die Tagespost sie beschreibt, „eine Meisterin, weise und wegweisend, großzügig und zugänglich, humorvoll und wohltuend bodenständig“. Einer ihrer Vorträge handelt von „Haltung und Gehaltensein oder: Vom Wechselspiel zwischen Charakter und Charisma“. Eine kurzweilige Dreiviertelstunde über Charakter als „Treue zum eigenen Wesen“, über Tugend als Lernfeld der eigenen Natur richtig zu folgen (Thomas von Aquin), über Charisma als „unverdienbares Gehaltensein“ und über „Ehrfurcht vor dem, was ist“ – das eigene Schicksal also nicht verbiegen, sondern als das mitgegebene Maß zur Vollendung bringen: „Das ist Kern der Charakterbildung.“ Vollendung will hier bedeuten: als Fülle gestalten.

 

Ein gewinnbringender Vortrag für alle, die bereit sind an ihrer Eigenverantwortlichkeit zu arbeiten und eigene Begrenzungen des Soseins zu respektieren bestrebt sind; positiv formuliert: „Grenze ist etwas, von woher etwas sein Wesen beginnt.“ Und: „Wirkliche Lebendigkeit hat Maß und zwar das Maß an sich selbst. Darum behält sie auch den langen Atem.“ Einen kurzen Schwenk zur „Gender-Ideologie“ als „Hybris“ und „willkürliche Überschreitung“ vollzieht die Professorin ab Minute 14:00. Dazu das Zitat von Hannah Arendt: „Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der Realitätsflucht liegt in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen … Alle Fakten können verändert, alle Lügen wahr gemacht werden … Man hat es hier nicht mit Indoktrinationen zu tun, sondern mit der Unfähigkeit und dem Widerwillen, überhaupt zwischen Tatsache und Meinung zu unterscheiden.“ Insgesamt gesehen darf man das Video sicherlich auch als Appell gegen den allerorten grassierenden Hochmut auffassen. Es wirkt wie ein wohlwollender Zurückpfiff. 


25.1.2020

Abstoßende Hybris

 

Eine Stimmung zum Davonlaufen, wo in religiös unmusikalischen Zirkeln, politisch wie beruflich und privat, Prahlerei und Personenkult hoffähig gemacht werden. Man soll zwar sein Licht nicht unter den Scheffel stellen – jenes der Anderen aber auch nicht. Ausschlaggebend sind das Motiv und die Maßhaltung. Die Grenze der Angemessenheit ist da überschritten, wo eine demütig-dankbare Haltung für in die Wiege gelegte Chancen zugunsten einer Hybris zurücktreten muss, wo man sich selbst zum Maßstab erhebt. Die narzisstisch ausgeprägte Variante überlebt nur durch ein applaudierendes Publikum; der Götzendienerschaft (heute: Fangemeinde), die sich schon damals um das Goldene Kalb herum versammelte und sich unreflektiert hinreißen ließ. Gruselig, dieses Ungehaltensein. Jedenfalls blieb ich bei einer Recherche zum Thema bei einer Zeichnung über den Hochmut von Pieter Bruegel dem Älteren hängen (vergrößern durch Mausklick). Der flämische Künstler (vermutlich 1525 – 1569) beeindruckt durch seine Detailliertheit. In diesem Video zu einem weiteren Werk von ihm kann man sich davon überzeugen. Mehr Bilder im Überblick finden sich dort. Auf die oben erwähnte Zeichnung ist auch die Erzdiözese Wien gestoßen, die sie zu einem Beitrag über „Hochmut oder Hybris“ eingestellt hat. Ansonsten ist mir keine spezielle Interpretation dazu im Netz begegnet. Dafür aber eine allgemeine Erklärung zu seiner Kunst sowie ein englischsprachiger Vortrag eines offenbar leidenschaftlichen Bruegel-Kenners. Wer sich für den Künstler aus der Perspektive der nachfolgenden Generation von Hieronymus Bosch interessiert: wird hier fündig.


11.1.2020

Wochenendweisheit… 

 

…von Kurt Tucholsky – aktuell treffend auch „An das Publikum“ aus dem Jahr 1931!

Über den Autoren und Journalisten gibt es eine mehrteilige kurzweilige Lyriksendung: 

Teil 1       -       Teil 2       -      Teil 3       -      Teil 4       -       Teil 5