"Mutation der Gesellschaft": Eine leitende Notärztin berichtet aus Tirol.


16.4.2021

Wehret den Anfängen.

 

Was man von folgenden Vorkommnissen zu halten hat ist dann wohl klar: In Hamburg ließ die Polizei das Jubiläum des 40. Wilhelmsburger Insellaufs vorzeitig abbrechen – trotz speziellem Hygiene-Konzept, Einhaltung der Abstandsregeln und Verzicht auf Zuschauer oder Verpflegungspunkte. Die Personalien von knapp 100 mutmaßlichen Teilnehmern des Laufes wurden festgestellt, gegen die Veranstalter ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Eine Behördensprecherin dazu: „Die klare Ansage, dass der Lauf nicht stattfinden darf, wurde ignoriert.“ Begründung: „Solche Veranstaltungen passen nicht zum aktuellen Infektionsgeschehen.“ ! In Ihrer Stellungnahme wollen die Veranstalter „die Befürchtung nehmen, gesetzeswidrig gehandelt zu haben“: Das Konzept sei nach bestem Wissen und Gewissen in Einklang mit geltenden Vorschriften umgesetzt worden. „Wir selbst sind ob der polizeilichen Intervention überrascht, dessen Vertreter zu einer anderen Einschätzung gekommen waren … Der Tatbestand einer klassischen Veranstaltung liegt unseres Erachtens nicht vor.“

 

Zeitgleich heißt es aus dem anderen Ende der Republik, wo die Corona-Pandemie, wie täglich eingehämmert, besonders stark wütet: „Kurz vor der Entscheidung der UEFA über die vier EM-Spiele in München hat Oberbürgermeister Dieter Reiter Verständnis für die Europäische Fußball-Union geäußert. Der Verband drängt die bayerische Landeshauptstadt dazu, bei den Partien im Sommer zumindest ein paar Tausend Zuschauer zuzulassen.“ Die UEFA versuche halt zu retten, was zu retten ist. „Das ist durchaus verständlich“, so Reiter. Eine endgültige Entscheidung steht wohl noch aus. Zum Abgleich noch ein Beispiel aus der Hauptstadt aus dem letzten Frühjahr: „Es ist Dienstagmittag um 13.30 Uhr, als der Mannschaftswagen der 34. Einsatzhundertschaft am Neuköllner Columbiadamm vorfährt. Vor der Sehitlik-Moschee stehen 30 bis 40 Menschen eng beieinander, einige umarmen einander. Christian Müller, Zugführer des 1. Zugs und gerade aus dem Polizeibus geklettert, unternimmt nichts. ‚Das ist eine Trauerfeier, da möchte ich nicht dazwischengehen‘, sagt er. Stattdessen ruft er seinen Kollegen zu: ‚Wir beginnen beim Spielplatz‘.“ Jugendliche auf dem Skateplatz werden verjagt, ebenso eine Mutter, die mit ihren Kindern auf der Wiese picknickt. Der Polizeibeamte „erklärt: ‚Das Gesetz spricht von Bewegung im Freien‘. Die ist weiterhin gestattet, das Problem ist das Verweilen.“ Eine Frau: „Ob sie hier nicht einmal allein ein Buch lesen dürfe? Sie halte doch reichlich Abstand zu allen anderen? ‚So leid es mir tut‘, sagt Müller, ‚es geht quasi um das Bild‘. Grundsätzlich solle niemand mehr draußen sein, es sei denn, zur körperlichen Ertüchtigung.“ !   

 

Solch pedantisch-ehrfürchtige Gesetzesauslegung, gepaart mit höchst eigenwilligen Deutungen, hat sich innerhalb eines Jahres quasi eingebürgert. Kürzlich selbst erlebt: In der Mitte einer nur ganz kurzen Bahnunterführung stehen zwei Angestellte des Ordnungsamts, die jeder einzelnen Person das Aufziehen der Maske anordnen, weil man dort wegen der Enge den Abstand nicht einhalten könne. Der Unmut der Leute war nicht übersehbar. Einer sagte: „Wissen Sie nicht, dass die Wissenschaftler sagen eine Ansteckung im Freien ist höchst unwahrscheinlich?“ Die Ordnungshüterin darauf hin: „Darum geht’s nicht. Das ist eine Verordnung der Stadt.“ Wer historisch auch nur halbwegs bewandert ist und entsprechende Aufarbeitung ernst nimmt, dem muss zwangsläufig mindestens mulmig werden angesichts dieses übergründlichen Pflichteifers, der sich um keinerlei Konsequenzen schert. Man muss nicht gleich den Vergleich zum Faschismus der Nazizeit ziehen. Prävention allerdings verpflichtet dazu, sich fragwürdigen Tendenzen wenigstens gewahr zu sein. Eine Charakterstudie über Eichmann eignet sich dazu: 

 

Durch diesen „Typ des Schreibtischtäters“ und staatstreuen Bürokraten war der Prozess der faschistischen Veralltäglichung und Normalisierung besonders deutlich geworden. Er gehorchte nur: „Der einzige Eifer, den Eichmann kannte, war die bedingungslose Dienstbeflissenheit und das ständige Bestreben nach beruflichem Fortkommen“; durchaus als Tugenden anerkannt. Das erfordert: „Zu tun was alle tun, sich den Verhältnissen anzupassen und erkennbar konform zu sein.“ Ferner: sich anzudienen und ein Gespür dafür zu entwickeln, was erwartet wird – auch wenn das schon mal zu absurden Situationen führt. Bei Eichmann verselbständigte sich seine praktische Diensteifrigkeit: „Egal, was befohlen wurde, es musste durchgeführt werden so gut es ging, mit dem bestmöglichen Resultat und ohne Rücksicht auf irgendjemanden … ‚Bekomme ich einen Befehl, so habe ich ihn nicht zu deuten, und wenn ich einen Befehl erteile, so ist es verboten, diesen Befehl zu begründen. (...) Was soll ich als kleiner Mann mir Gedanken darüber machen? Ich bekomme den Befehl von meinem Vorgesetzten und schaue nicht nach rechts und nicht nach links. Denn es ist nicht meine Aufgabe. Ich habe zu gehorchen und zu parieren‘.“

 

Skrupel hatte er wohl keine: „Zu jeder Zeit entsprang sein Wollen dem staatlichen Wollen und er erkannte in jedem Befehl das eigene persönliche Ziel. Wenn er den entsprechenden Befehl erhalten hätte, hätte er auch seinen eigenen Vater ermordet und darin seine Erfüllung gefunden … Sobald Eichmann eine Aufgabe zugewiesen bekam, (sich selbst konnte er keine geben) war er in seinem Element. Als Teil eines großen Ganzen fühlte er sich ‚bedeutend‘ und sah sich darin als ‚Idealist‘, der dieser ‚großen Sache‘ alles andere unterordnete. Worin diese Sache inhaltlich bestand, wäre für Eichmann allerdings gleichgültig gewesen. Er handelte nicht aus tiefer innerer Überzeugung, sondern verfolgte die Umsetzung von Anordnungen.“ Der Lohn dafür: eine anerkannte Stellung in der Gemeinschaft. Aus anderer Perspektive könnte man anfügen: Angst vor Eigenständigkeit und Alleinsein und somit erpressbar. Zur Frage der Verantwortung heißt es: „Die ‚Rädchen im Getriebe‘ aber haben die merkwürdige Eigenschaft der Schuldlosigkeit für das Tatganze … Dass Eichmann, der an dem Tod von Millionen von Menschen mitverantwortlich war, dagegen genau dem Bild eines angepassten braven Bürgers entsprach, weder von Hass besessen, noch das was man gemeinhin psychisch krank nennt, ist viel beunruhigender, als diese monströse Vorstellung. (Hannah Arendt nennt dieses Phänomen ‚die Banalität des Bösen‘.)“

 

Das Ergebnis des Unheils kam zustande, weil es den „Typ Eichmann“ wohl in millionenfacher Ausführung gab: kleinbürgerlich, banal, beflissen devot und ansonsten unbekümmert routiniert; insbesondere die Folgen im zwischenmenschlichen Gemeinwesen betreffend. Es geht aktuell nicht um den Massenmord an einer Menschengruppe. Der Gefahrenpunkt konzentriert sich auf die Verinnerlichung solch einer empathiebefreiten Haltung in Kombination mit potenziell künftigen Dienstvorschriften, die heute noch nicht vorstellbar sind, aufgrund schon laufender Brüche eines Tabus nach dem anderen aber noch kommen könnten. Wehret den Anfängen.

 

Nachtrag vom 23.4.: "Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat sich am frühen Nachmittag zur Beibehaltung von München als Spielort der EM 2021 geäußert: 'Heute ist ein erfreulicher Tag für die Fußball-Fans in München', so der SPD-Politiker. Er freue sich außerdem, dass die UEFA offenbar 'eingesehen' habe, dass München auch ohne Zuschauer-Garantie ein attraktiver Standort für die Ausrichtung einer EM sei. Er könne trotzdem nur wiederholen, was bereits letzte Woche gesagt wurde. Man müsse dann, wenn es so weit sei, infektiologisch entscheiden, was gehe, und was nicht. Hier sei man sich mit dem Freistaat Bayern einig. Es sei weiterhin nicht verantwortbar, Zuschauer bei einem Fußballspiel zuzulassen, während Schulen und Kitas sowie Hotellerie und Gastronomie geschlossen seien. Reiter führte fort, dass eine der Bedingungen für Zuschauer sei, 'deutlich' unter die Inzidenz von 100 zu kommen."

 

Nachtrag vom 24.4.: Fußball-EM 2021 - "Da scheint Geld eine größere Rolle zu spielen als der Gesundheitsschutz" - "Vier Spiele der Fußball-EM finden in München statt, so hat es die Uefa entschieden. Trotz Pandemie und obwohl die Stadt einige Fan-Zusagen verweigert. Und jetzt? Geht der Ärger weiter ... 'Wir haben jedes Wochenende Corona-Demonstrationen, die Leute dürfen nicht raus und hier diskutieren Verantwortliche über 15 000 Zuschauer', schimpfte Ascherl. Streifenbeamte, die derzeit Menschen erklären sollten, dass sie sich nicht zu zehnt an einem Ort unter freiem Himmel versammeln dürfen, brächte das in Erklärungsnot."


Im Nachgang zu Ostern bietet sich ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe zur Reflexion an: "Käme er, man würde ihn zum zweiten Male kreuzigen." Der Satz fiel in einem Gespräch mit seinem engen Vertrauten Johann Peter Eckermann am 12. März 1828.


3.4.2021

Neue Planungssicherheit?

 

Bemerkenswerte Beobachtung eines Pfarrers: „…dritte Corona-Welle: Zum dritten Mal spitzt sich die Lage unmittelbar vor einem hohen christlichen Fest zu … immer spitzen sich die pandemischen Verhältnisse zeitgleich zur Passions- oder Adventszeit, also ausgerechnet der Bußtage im Kirchenjahr, so zu, dass über die Feiertage alles heruntergefahren werden soll.“ Eine „heilige Unruhe“ verursache das – oder ist es eine „geistliche Punktlandung“? Der Autor findet jedenfalls: „Da geht noch was“ und plädiert für einen „geistlichen Lockdown“ im Sinne einer ergebnisoffenen Hingabe. Sollte es zutreffen mit der regelmäßigen Zuspitzung der Corona-Lage just vor christlichen Festtagen – aus welchem Grund auch immer –, dann hätten ja, immerhin, Einzelhandel und Gesellschaft endlich eine Planungssicherheit. Man nehme hierfür einfach den Kalender zur Hand und sehe nach, wie die entsprechenden Feiertage liegen. Mit einer medialen Anfahrt bis hin zur Zuspitzung ist dann ab zwei bis drei Wochen vor den Feiertagen zu rechnen. So am Kirchenjahr orientiert erschließt sich auch diese aktuelle Meldung: „RKI-Modell empfiehlt vorsichtige Lockerungen erst ab Mai oder Juni.“ Ende Mai ist Pfingsten, Anfang Juni folgt Fronleichnam. Dann kommt längere Zeit nichts, abgesehen von der eher unbekannten Mariä Himmelfahrt am 15. August. Man kann ja die Sache mal aus dieser Sicht beobachten.  


Zum 576. Geburtstag von Sandro Botticelli am 1. März darf man sich erinnern: Die nackte Wahrheit hat die schönste Silhouette. Eine Interpretation zur: "Verleumdung des Apelles". 


13.3.2021

„Weh dem Lande, wo man nicht mehr singet.“

 

Tatsächlich ist das Gedicht „Die Gesänge“ von Johann Gottfried Seume (1763 – 1810) ja ellenlang. Gemeinhin bekannt sind doch nur zwei Zeilen aus der ersten Strophe: „Wo man singet, lass dich ruhig nieder - Ohne Furcht, was man im Lande glaubt - Wo man singet wird kein Mensch beraubt - Bösewichter haben keine Lieder.“ Singen scheint schon damals auch ein Politikum gewesen zu sein. Und Seume war als studierter Theologe und eigenwilliger Freiheitskämpfer sicherlich prädestiniert dafür, dies in treffende Worte zu kleiden.

 

Im Jahr 2021 nun wollen politisch und juristisch Verantwortliche partout am derzeitigen Sing-verbot – vor allem in Kirchen – festhalten: „An das Gericht hatten sich eine Freikirche, ein Pastor und ein weiteres Gemeindemitglied gewandt. Sie wollten feststellen lassen, dass Gesang mit medizinischer Mund-Nasen-Bedeckung während des Gottesdienstes zulässig sei.“ Das Gericht lehnte ab: „Die Vorgaben ermöglichten ein Zusammenkommen der Gläubigen und somit die Ausübung der Religionsfreiheit unter geänderten Bedingungen für einen begrenzten Zeitraum. Die Regelung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sei zudem deshalb sinnvoll, weil ansonsten Gläubige aus Corona-Risikogruppen aus Sorge vor einer Ansteckung von einer Teilnahme am Gottesdienst absehen könnten.“ Man tue der Christenheit also nur Gutes mit dem Singverbot. Die Corona-Regeln seien „zur Verwirklichung der Religionsfreiheit notwendig“, heißt es dort: „Jeglicher Gesang der Besucherinnen und Besucher ist zu unterlassen.“ 

 

Das Urteil ist nicht nur vor dem Hintergrund, dass Gottesdienste damit um ein ganz wesentliches lobpreisendes Moment kastriert sind, geradezu infam. Während man sich nämlich bei all den bestätigenden Urteilen zur Maskenpflicht stets auf wissenschaftliche Erkenntnisse (hier vorzugsweise des Robert Koch Instituts) beruft, ignoriert die juristische Instanz diese plötzlich. Schon im August 2020 resümierte eine experimentelle Studie der Uni Bristol: „Das Risiko ist beim Singen nicht höher als beim Sprechen.“ Es würden „beim Singen nicht mehr Tröpfchen und Aerosole freigesetzt“ als beim Sprechen. „Entscheidend ist demnach vor allem die Lautstärke, mit der etwas vorgetragen wird … es machte eben auch keinen Unterschied, ob der Satz ‚Happy Birthday to you‘ gesprochen oder gesungen wurde, entscheidend war lediglich die Lautstärke.“ In Bristol titelte man übrigens dazu: „New Covid-19 study could help performers back on the stage.“ Auf Vorsicht sind die Forscher bedacht: Sie hoffen, dass die Forschung eine strenge wissenschaftliche Grundlage für einen Aktionsplan liefern wird, der es den Veranstaltungsorten ermöglicht, sowohl für die Künstler als auch für das Publikum sicher zu arbeiten.

 

Es gibt weitere medizinische Gutachten, auch hierzulande, die nahe legen, dass Medien in Bezug auf das Singen als „tödliche Virenschleuder“ vielmehr „Schauermärchen“ verbreiten: „Bei Berichten, die das Singen als Erklärung für die Infektion großer Teile eines Chores anführen, sollte hinterfragt werden, ob nicht das Sozialverhalten der eigentliche Ursprung der Infektion ist … Wenn besonders kontaktfreudige Menschen andere Chormitglieder mit Umarmung und Küsschen begrüßen, sich in der Pause angeregt unterhalten, nach der Probe noch in geselliger Runde Abendessen oder einen Wein miteinander trinken, bevor sie sich herzlich verabschieden, kann davon ausgegangen werden, dass dieses Sozialverhalten im Falle einer Infektion kritischer ist als das Singen selbst.“ Leicht nachvollziehbar, mit gesundem Menschenverstand. Überhaupt scheinen Berichte über Virus-Verbreitung in Gottesdiensten frei erfundene Panikmache zu sein. In Bremerhaven klärte das sogar mal ein Oberbürgermeister der SPD auf: Es gebe keinen Grund, die Mitglieder der Kirchengemeinde zu stigmatisieren oder zu diskriminieren. „Ein solches Geschehen ist jederzeit auch in einem anderen Cluster in sozialen, beruflichen oder religiösen Zusammenhängen möglich.“ Wenn man noch die unstreitig gesunde und lebensverlängernde Wirkung des Singens mit betrachtet, dann liegt es nicht fern, die Motivation der Richter mal kritisch zu hinterfragen. Obige Antragsteller haben übrigens Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt.  

 

Historisch betrachtet gab es immer mal wieder „Welten, in denen das Singen verboten war“ – vorzugsweise in diktatorischen Regimen. In Rumänien etwa galt diese Schwarze Pädagogik: „Wenn das Kind singt, fliegen Insekten in seinen Mund und töten das Kind.“ In Afghanistan verbot man in den 1990er-Jahren generell Musik und Tanz. Aktuell kritisiert die dortige Menschenrechtskommission „ein von der Regierung erlassenes Singverbot für Schulmädchen in der Öffentlichkeit“.* Vor fünf Jahren hieß es in einem Bericht über Straßenmusiker in Moskau: „Seit einigen Jahren ist Straßenmusik dort offiziell verboten – und immer wieder werden die Musiker von der Polizei schikaniert und vertrieben.“ Solch groben Unfug versucht man von offizieller Seite wegzuheucheln: „Die Stadt Moskau veranstaltet zwar immer mal wieder Ausschreibungen für Musiker, die in der U-Bahn spielen wollen. Aber die Teilnahme-bedingungen seien unklar ... sie haben dort auch kaum je einen Musiker spielen hören.“ Und heute, in Berlin, geschieht so was: „Straßenmusiker klagen über Bußgelder und konfiszierte Instrumente.“ Nein, Machtbesessenheit und Singen scheinen nicht wirklich kompatibel zu sein. Johann Gottfried Seume wusste das: „Mit dem Liede, das die Weisen sannen - Sitzen Greise froh vor ihrer Thür - Fürchten weder Bonzen noch Vezier - Vor dem Liede beben die Tyrannen.“

 

Siehe auch bei der FAZ: "Pauschale Singverbote sind übertrieben - Eine neue Studie der Charité und der Technischen Universität Berlin legt Daten auf den Tisch, die Chören das Arbeiten möglich machen – eine belastbare Grundlage für Diskussionen mit der Politik."

 

Nachtrag vom 15.3.: "Afghanistans Regierung nimmt Singverbot für Mädchen zurück."


Einen Stützpunkt finden: mit Henry David Thoreau (Autor und Philosoph - 1817 bis 1862)


6.3.2021

Kollektive Folklore

 

Man könnte sich jetzt fragen, was das soll, die Impfstoff-Allianz zwischen Israel, Dänemark und Österreich zu kritisieren. Die Allianz füge sich halt nicht devot in den „solidarischen europäischen Rahmen“, wie es etwa aus Frankreich sinngemäß schallt. Es wäre aber ohnehin interessanter zu fragen, was es mit der neu entstehenden Impf-Allianz der Konzerne auf sich hat. Firmen wie Siemens, Adidas und Deutsche Bank wollen nämlich jetzt beim Impfen helfen. „Wir wollen pragmatisch dazu beitragen, so schnell wie möglich Herdenimmunität in Deutschland zu erreichen“, so Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank. „Wir sind deshalb grundsätzlich bereit, Menschen eine Impfung zu ermöglichen, auch wenn sie nicht für uns arbeiten.“ Wer noch dabei ist: Allianz, Deutsche Post, Deutsche Telekom und Axel Springer. „Die Allianz plane, bis zu 25 Impfstraßen auf ihren Betriebsgeländen einzurichten.“ Wirklich nett, dieses Hilfsangebot.

 

Wenn man sich die Aktivitäten der Deutschen Bank Stiftung ansieht, dann kann sich dennoch das Bedürfnis einstellen zu eruieren, wie es um die Motivlage bestellt ist. „Baut Eure Zukunft“, heißt etwa ein Bildungsprojekt, das die Stiftung gemeinsam mit der Social Impact gGmbH und der Deutschen Bank initiiert hat. Das Unterrichtskonzept für die Schulklassen 8 bis 10 gibt via Toolbox und „Design Thinking“ Methoden an die Hand, um sich „Mobbing, Armut, Gewalt, Rassismus, Demokratie und Zukunftsangst“ zu stellen. „Damit auch Lehrkräfte, die bislang noch nicht mit Design Thinking vertraut sind, diese Methode souverän anwenden können, fördert die Deutsche Bank Stiftung ein umfangreiches Fortbildungsprogramm, das sowohl in Schulen als auch in Fortbildungseinrichtungen angeboten wird.“ Das Projekt wird schon seit 2017 gefördert. Inwiefern bei der Partnerorganisation „Social Impact gGmbH“ als Agentur für soziale Innovationen die Social-Impact-Theorie eine Rolle spielt, kann hier nicht beurteilt werden. Bei der Theorie geht es um die Bedingungen sozialer Beeinflussung etwa dergestalt, „unter denen ein Mensch am ehesten dem normativen Einfluss einer Gruppe nachgeben wird“.

 

Das Projekt der Deutsche Bank Stiftung klingt engagiert und enthusiastisch – ist es wohl auch. Angesichts weiterer ähnlich gelagerter Projekte für die junge Generation scheint man aber inzwischen deutlich mehr Wert auf kollektives Clustern mit dem Ziel uniformer Meinungsbildung als auf Frontalunterricht und individuell eigenständiges Lernen zu legen. Ein weiteres Beispiel für solche Gruppenfolklore ist das transformative Forschungsprojekt „Urbane Xtopien - Freiräume der Zukunft“ des Deutschen Instituts für Urbanistik mit Förderung der Robert Bosch Stiftung. Beworben wird das zum Beispiel so: „Covid-19 betrifft und beunruhigt uns alle. Alltag? Fehlanzeige! Unser neues Leben findet zuhause statt und verlagert sich ins Digitale … Die Pandemie ist ein guter Anlass, um die Zukunft öffentlicher und gemeinsam genutzter Orte neu zu denken. Groß, bunt und visionär!“ Wer will schon was dagegen haben?

 

Der Punkt ist nur: Es wird an der aktuell geschaffenen Lage nichts hinterfragt, sondern alles hingenommen. Die devote Grundhaltung kaschiert man mit einem hinterfragenden Anstrich: „Wie ermutigt man sie, eingeschlagene Pfade in Frage zu stellen und an der Entwicklung und Umsetzung einer großen urbanen Transformation mitzuwirken?“ Man soll also gerne bisherige Umstände in Frage stellen – unter der Voraussetzung, dass die große urbane Transformation selbstverständlich unhinterfragt hingenommen wird. Die sämtlich aus dem politisch korrekten Wirkungsfeld stammenden Akteure setzen bei den Spielraum-Utopien bewusst auf das große „X“ für „extrem“: „Xtopien gehen über die Zukunftsperspektiven der gegenwärtigen transformativen Forschung hinaus: Sie zeichnen extreme Visionen unabhängig von aktuellen Rahmenbedingungen und Realisierbarkeiten und fokussieren bewusst auf die Ambivalenzen von utopischen und dystopischen Visionen. Im Rahmen eines ‚Jahr der Xtopien‘ zwischen Sommer 2021 und Sommer 2022 erproben und evaluieren wir als Projektteam zusammen mit lokalen städtischen Akteur*innen exemplarische Xtopien als Interventionen.“

 

Dominante Tonangeber des kommenden gesellschaftlichen Umbaus sind all jene aus dem Dritten Sektor, die mit großzügigen (semi)staatlichen Fördersummen entsprechende Handlungsoptionen erhalten. Angesichts der devoten Konformität und zusammen betrachtet mit den forcierten Bemühungen von Print und Öffentlich-Rechtlichen um Einflussnahme auf Kinder* zeichnet sich ein Erziehungsziel ab, das einer potentiell neuen chinesischen Normalität zunehmend gleicht. 

 

* Man vergleiche gerne: "Sie wollen in die Köpfe der Kinder" vom 27.2.2021.

 

S.a. die aktuelle Meldung: "Verteidigungsministerium warnt vor Bedrohung durch China."


13.2.2021

Toxische Kommunikation

 

Die Zeit fragte im Juni 2017: „Kann man warten, ohne zu wissen, worauf?“ Die „Warte-Wissenschaft“ wisse das. Im Ostblock war man das ungewisse Warten gewohnt: „In langen Schlangen vor Geschäften aller Art harrte man aus, oft ohne zu wissen, ob es … überhaupt etwas zu kaufen gab.“ Das aber wusste man zumindest vorher. Man war sich sozusagen der Ungewissheit gewiss. Einen richtig fiesen Dreh bekommt die Angelegenheit, wenn mit Hoffnungen gespielt und so selbst ein sich Einrichten in der Ungewissheit verunmöglicht wird. In Flirt-Beziehungen etwa nennt man so was „Benching“ (= auf die lange Bank schieben). Es „ist eine dieser miesen Hinhaltetaktiken, die uns das Leben schwer machen. Denn statt sich zu entscheiden, ob mehr aus dem Date werden kann, wird man hingehalten. Man wird sozusagen eine Option von vielen, wird weiterhin mit Nachrichten und ab und zu Dates warmgehalten - aber eben alles unverbindlich.“ Die Täter handeln zwar nicht immer in voller Absicht, ziehen aber stets mindestens einen interpsychischen Gewinn daraus.

 

Zum Beispiel: Schuldgefühle beim Anderen auszulösen als „eines der Hauptmittel emotionaler Erpressung“, erläutert das Psychologie-Magazin: „In der passiven Variante soll der andere dann meist Schuld daran sein, dass der emotionale Erpresser Sorgen ... hat, einen Asthmaanfall oder die ganze Nacht nicht schlafen konnte. Dem anderen wird subtil suggeriert, was er doch für ein grausamer und kaltherziger Sadist sei.“ Der Trick dabei: „Die Doppelbindung funktioniert immer nach dem Muster, dass so getan wird, als gäbe es nur zwei Möglichkeiten zwischen denen man sich entscheiden muss … Doch es gibt immer dritte Möglichkeiten, Zwischentöne, Graustufen. In der Welt der emotionalen Erpresser hingegen gibt es nur: entweder – oder.“ Auch „hochemotionale Inszenierungen“ gehörten „zum festen Repertoire der emotionalen Erpresser“. Ein erster Schritt hin zum Ausstieg aus dieser destruktiven Falle: Dem „schwer zu fassenden, diffusen Gefühl“,  das Opfer dieser doppelbödigen Double-Bind-Kommunikation dann auch als Einengung erleben, sollte man ruhig trauen: „Hier stimmt was nicht!“ Der eigenen Wahrnehmung zu trauen, dass hier was nicht stimmig ist: dazu rät auch eine Psychotherapeutin im Video und zeichnet nach, woher die Eigenzweifel rühren. In etwa: Bei Double-Bind wird zur selben Sache heute etwas komplett Gegensätzliches wie morgen gesagt, Offensichtliches genau anders herum verbalisiert oder ständig das Verhalten gewechselt, so dass sich das Gegenüber auf nichts verlassen kann. In Fällen von zielgerichteter Absicht finde diese Strategie vor allem dann Anwendung, „wenn man Menschen brechen“ oder sie „kirre“ machen will.  

 

Es steht jedem frei, diesbezügliche respektive ähnliche Vergleiche zur gegenwärtigen politischen Rhetorik und deren medialer Vermittlung anzustellen. Zum Beispiel herauszuschälen, ob die Bundeskanzlerin tatsächlich gerade eigene Fehler eingesteht oder ob sie sich letztlich nicht selbst vielmehr recht gibt. Oder zu analysieren, ob die aktuell aufgemachten Konfliktlinien des Bundespräsidenten überhaupt stimmig und relevant sind oder ob es ihm nicht vielmehr in der Hauptsache um seinen Nebensatz geht, einem „Fünftel“ der Bevölkerung, das sich „schon jetzt überfordert fühle“, eins auszuwischen. Angesichts der unzähligen existenziellen Notlagen legt solche Formulierung ebenso ein eiskalt zynisches Nachtreten nahe. Apropos: Man darf gespannt sein, ob Friseure tatsächlich am 1. März öffnen dürfen oder ob die Erlaubnis bis dahin mutiert.

 

Hinweis: Wer der Meinung ist, die aktuelle Konfliktlinie verlaufe eher zwischen Konformismus und Autonomie, der findet das in: „Konformismus als Pathologie der Anpassung“ vom 1.9.2018.


6.2.2021

Trägheit untergräbt Selbstwerdung

 

Im Kreis Harburg wird gerade gesucht: „Erzieherin / Erzieher - Den neuen Corona-Alltag in der Kita gestalten … Hygieneregeln und neue Freiheiten unter Coronabedingungen.“ Man solle „gerade in Zeiten der Pandemie ein Umfeld“ gestalten, „das Kindern eine optimale Entwicklung ermöglicht“. Ein plakatives Beispiel für das Steckenbleiben in der Heteronomie (Fremdbe- stimmtheit): Hier „ist das Gute das, was die Mehrheit ihrer Mitmenschen einer Autorität folgend tut. Der Einzelne glaubt dann, dass eine Regel existiere, weil sie gut sei. Das Vorhandensein der Regel und ihr moralischer Wert werden nicht hinterfragt, sondern hingenommen ... Das erklärt, warum viele Menschen und Gesellschaften aufgrund bestimmter Regeln sogar gegen ihre eigenen Interessen handeln können“. Die Regel wird nicht auf ihre Motivation hin überprüft, wie es in der Autonomie der Fall wäre. „Das Einzige, was überprüft wird, ist das Ergebnis des Verhaltens … Keine Absichten, keine Kontexte, keine Gründe werden in die Bewertung einbezogen. Das Einzige, was gesehen wird, ist, inwieweit eine Norm befolgt wird.“ Wären alle Glieder der Gesellschaft so aufgestellt, dann könnte man wohl alles mit ihr machen.

 

Wesentliche Ursache für das Verharren in der Heteronomie dürfte aus dem Inertia-Effekt (= Trägheitseffekt) resultieren: „Das psychologische Phänomen, dass einmal getroffene Entscheidungen von Menschen auch gegen widersprechende Informationen weitgehend immun bleiben. Dabei wird der Wert von Informationen, die der präferierten Alternative oder Hypothese entsprechen, überschätzt, während der Wert entgegengerichteter Informationen unterschätzt wird.“ Wenig mehr dazu steht im Beitrag „Zur Tragik von Trägheit“ vom 27.4.2019.

 

Die Trägheit befördert wiederum den Unwillen zur Opferbereitschaft. Die aber wäre angesichts der herrschenden Umstände nötig, um menschenrechtliche Standards zu verteidigen. Ein Psychotherapeut machte sich dazu Gedanken und räumte erst mal die negativ konnotierten Missverständnisse und neurotisierenden Überlagerungen bezüglich der Opferbereitschaft beiseite. Tatsächlich sei nämlich Opfer „eine Höchstform des Selbstausdrucks, der Selbsthergabe und Selbsthingabe. Opferbereitschaft ist Wille zu solcher Höchstform.“ Das ermögliche dann, „eigene Gefühle und Wünsche … gegenüber besitzergreifenden Beziehungspersonen und Instanzen ohne Schuldgefühle und Ängste durchzusetzen“. Insbesondere auch: „Ängste und Schuldgefühle nicht als Richtschnur für Gewissensentscheidungen zu machen, jene vielmehr mit dem Alleinsein als Preis für Selbstwerdung und als Durchgangsphase in einem seinshaften Standhalteglauben zu überwinden.“ Demnach bedeute opferfähig werden gleich selbstfähig werden; „d.h. die Aufgabe der Individuation leisten, … indem man sich besser abgrenzt, d.h. sich vom konformistischen Erwartungsdruck der andern unterscheidet, sich im Anderssein gegen Widerstände behauptet, zumal gegen selbstanmaßende Instanzen“. Man werde letztlich von Selbsttäuschungen frei und stärke das autonome Selbstwertgefühl: „Ich kann etwas aus mir machen; ich kann meine Welt verändern.“ Ist nicht vielmehr dies Ziel wahrhaftiger Pädagogik? 

 

Der Aufsatz ist in Gänze lesenswert. Zum „Wahrhaftig-Werden“ kann man ergänzend gerne eine Kunstbetrachtung zum „Erwachen des Gewissens“ von William Holman Hunt anschauen.


31.1.2021

Statement der Woche

 

"Wann hat es angefangen, dass Menschen verantwortlich für die Gesundheit anderer sind? Früher war jeder für seine eigene Gesundheit selbst verantwortlich. Heute bin angeblich ich für Deine Gesundheit verantwortlich und Du für meine. Wenn Du keine Maske aufsetzt, bist Du schuld, dass ich krank werde. So zeigt jeder mit dem Finger auf den anderen ... Stell Dir das mal vor: Du sitzt im Restaurant und tippst dem Menschen am Tisch neben Dir auf die Schulter: 'Entschuldigen Sie, aber die Pizza sollten sie bitte nicht bestellen. Sie haben ja doch schon einiges auf den Rippen. Und ich bin schließlich für Ihre Gesundheit verantwortlich! Wie wäre es mit einem Salat?' Fünf Minuten später tippst Du ihm wieder auf die Schulter: 'Entschuldigung, aber bitte keinen Alkohol trinken. Der ist nachweislich schlecht für Ihre Gesundheit. Und Sie wissen ja, ich bin für Ihre Gesundheit verantwortlich' ... Egal wie viele Masken getragen werden: Wer ein geschwächtes Immunsystem hat, muss sich konsequent selbst schützen. Es funktioniert nicht, die Verantwortung auf andere abzuschieben. Niemals..."                             Quelle: Dr. Lico


2.1.2021

Integrität stärken!

 

Leider finde ich den Film im Internet nicht, da mir der Titel unbekannt ist. Es geht, wie mir ein Bekannter – fast schon ein wenig traumatisiert davon – erzählte, um einen Typ, der einen Toten entsorgen will und hierfür um Unterstützung in der Nachbarschaft wirbt. Höflich, im schicken Anzug, zwischen den Zeilen um Diskretion bittend. Und die meisten der braven Bürger sind ob dessen seriösen Erscheinungsbildes gleich beeindruckt und sofort hilfsbereit. Ohne irgendeiner Nachfrage, etwa ob er denn den Toten umgebracht hat. Die Nachbarn wollen es gar nicht wissen. Sie helfen einfach dabei, einen Toten zu entsorgen. Weil eine seriös scheinende Type sie darum fragt in einer Weise, als sei das ganz normal. Vielleicht spielt auch ein faszinierter Hauch von abenteuerlicher Komplizenschaft eine Rolle im sonst wenig angeregten Innenleben der Leute.

    

Etwas plakativ wohl, der Film, eine Analyse der psychischen Vorgänge in solch grotesken Situationen könnte jedenfalls zum besseren Verstehen des vergangenen und kommenden Corona-Jahres beitragen. Die augenscheinlichste Parallele liegt in der Weigerung, inhaltliche Verarbeitung von Sachverhalten und Detailfragen zu leisten, ja überhaupt zuzulassen. Die Menge springt einfach auf jeden öffentlich vorbeirauschenden Zug auf. Erstaunlich respektive geradezu tragisch ist, dass den Konsequenzen selbst dann nicht ausreichend Aufmerksamkeit zuteilwird, wenn sie erheblich negative Wirkungen auf die nächste Generation, also auf das Leben der eigenen Kinder, zeitigen werden. Vertrauen und Loyalität gebührt demnach letztgültig irgend-welchen fremden Menschen an den Schalthebeln der Macht. Das Motiv der Vielen, sich stets auf die Seite der scheinbar Stärkeren zu schlagen, speist sich letztlich aus der Angst ums Alleinsein und ins gesellschaftliche Abseits gedrängt zu werden. Weil die große Masse diesen Preis nicht zu zahlen bereit ist, profitieren egoistische Taktierer von ständig zunehmenden Machtzuwächsen. Man lässt sie alles machen, verlangt keine Leistungsnachweise oder Maßhaltung und selbst bei offenkundigen Widersprüchen oder Vergehen geht man großzügig darüber hinweg. Der Fantasie sind stetig weniger Grenzen gesetzt bei der Spekulation über die Frage, wie weit das Gros der Bürger, das alles für bare Münze nimmt und ungeprüft zulässt, noch mitgeht. Was interessierte Kreise auf solchem Nährboden alles anpflanzen könnten ist historisch hinreichend bekannt. 

 

Ein Geschehenlassen – ob durch aktive Mithilfe wie im Film oder passiv als Ergebnis von Fahrlässigkeit – entbindet indessen nicht von Verantwortung und Schuld. Unbekümmert damit weiterleben mag jenen gelingen, die nicht wirklich bei sich sind. Aus der Kognitionswissenschaft betrachtet: „Mit Gedankenlosigkeit oder Mindlessness bezeichnet man … eine Art passiv zu denken, bei der man auf alles, was an Reizen von innen oder von außen kommt, unreflektiert reagiert und nicht aktiv überlegt, ob das auch richtig oder vollständig ist … Man fragt nicht nach oder hinterfragt nicht für sich … Wir reagieren also widerstandslos auf Reize statt aktiv Entscheidungen zu treffen, was wir denken, weshalb dieser Zustand auch ‚inaktiver geistiger Zustand‘ genannt wird … Eine programmierte Maschine quasi, die auf Autopilot steht.“ Genau hier, in der Entmenschlichung, liegt der Schrecken begraben. Das sollte Anlass genug sein, sich vom Heer der Gedankenlosen zu distanzieren. Andernfalls bezahlt man nämlich auch einen Preis: den der persönlichen Integrität. Es könnte ein Vorsatz fürs neue Jahr sein zu reflektieren, ob diese nicht doch mehr wert ist, als die Zugehörigkeit zu einer Schar aus korrumpierbaren, wertbefreiten Autopiloten. Was hat man überhaupt von solchen Kontakten? 

 

Wie man die persönliche Integrität stärken kann erfährt man in diesem Erklärvideo.

 

Ergänzung vom 3.1.: Der negative Einschlag im Beitrag ist kürzlich erlebten schlechten zwischenmenschlichen Erfahrungen geschuldet. Schadensbegrenzung, auch um etwas versöhnlicher ins neue Jahr zu gehen, bietet diese heutige Predigt (ab Minute 21:44).